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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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zu verlassen und mich mitzunehmen, und er hatte sie deshalb umgebracht. Wegen mir.
    Ich vergewisserte mich mit dem Ortungsgerät, dass Helena sich dort befand, wo sie sein sollte, nämlich in ihrer Abgeordnetenkommune. In Jennis Schrank stand Kakao, ich kochte mir eine Tasse und nahm mir vor, Ersatz zu kaufen, sobald ich Zeit hatte. Im selben Moment kam Jenni nach Hause. Sie war ein bisschen beschwipst und erzählte mir lang und breit von einem total langweiligen Typen namens Tero, der versucht hatte, sie anzuquatschen.
    Erst gegen vier Uhr fand ich endlich Schlaf. Ich schlief bis gegen Mittag, überprüfte dann Helenas Standort: Sie war in der Wahlbude der Grünen. Es stürmte und regnete so heftig, dass ich nicht joggen gehen mochte, sondern mich mit Muskeltraining in meinem Zimmer begnügte: hundertfünfzig Liegestütze, hundert Kniebeugen und die gleiche Zahl Sit-ups. Ich hatte mit Helena vereinbart, sie auf der Wahlparty der Grünen zu treffen. Bisher hatte ich solche Veranstaltungen nur gelegentlich im Fernsehen gesehen und völlig absurd gefunden. Deshalb wollte ich so eine Fete gern einmal live erleben. Durch meinen Job als Helenas Assistentin fühlte ich mich irgendwie verpflichtet, auch zu wählen. Ich überlegte zuerst, ob ich Donald Duck oder Modesty Blaise auf den Stimmzettel schreiben sollte, entschied mich dann aber doch für die Frau, die ich aus dem Parlament kannte und die mich immer wie einen gleichwertigen Menschen behandelt hatte.
    Frau Voutilainen war zur gleichen Zeit wie ich im Wahllokal. Wir gingen gemeinsam im Sturm nach Hause, und sie lud mich und Jenni zu Kaffee und Erdbeerkuchen ein.
    Am frühen Abend googelte ich nach Informationen über Boris Wasiljew. Das Ergebnis war überraschend mager, wenn man bedachte, welchen Ruf er David zufolge hatte. Der Mann hielt sich offensichtlich bedeckt. Helena rief an und sagte, sie wolle rasch nach Kirkkonummi fahren und sich was Frisches anziehen, das sei doch sicher in Ordnung. Wir würden uns dann im Club Tavastia treffen, wo die Wahlparty stattfand.
    Da ich den Dresscode nicht kannte, wählte ich auf gut Glück Jeans, Springerstiefel und ein langärmliges schwarzes T-Shirt mit Luchsmotiv. Ich hatte es in einer Boutique in Greenwich Village entdeckt und viel mehr dafür bezahlt, als ich normalerweise für Kleidung anlegte. Ich trug das Teil nur selten, um es nicht zu verschleißen. Es sollte ewig halten.
    Von früher her war ich daran gewöhnt, dass im Tavastia Rockmusik dröhnte, Betrunkene herumtorkelten, der Fußboden klebrig vom Bier und die Luft rauchgeschwängert war. Jetzt herrschte Rauchverbot, und der Star des Abends war keine Band, sondern ein Riesenbildschirm, auf dem das TV-Wahlstudio mit der Stimmenauszählung zu sehen war, die ich ungefähr so dramatisch fand wie ein Formel-1-Rennen. Helena war nirgendwo zu sehen. Da ich nicht im Dienst war, bestellte ich mir einen Gin Tonic mit Eis und wechselte ein paar Worte mit zwei Kolleginnen aus dem Parlament. Ich fühlte mich als Außenseiterin, doch es war beruflich nützlich für mich, Menschen zu beobachten und neue Situationen kennenzulernen. Es wunderte mich, dass sich die Gäste keine Gedanken über ihre Sicherheit machten. Die Türsteher des Tavastia passten auf, dass alle Gäste ihre Mäntel an der Garderobe abgaben, aber in einer normalen Handtasche oder unter einem dicken Pullover konnte man ohne weiteres eine Pistole und Munition einschmuggeln. Wenn jemand die Führung der Grünen eliminieren wollte, hätte ihm die Wahlparty die beste Gelegenheit dafür geboten. Das galt ebenso für die Wahlsendungen im Fernsehen. Auch in den Fernsehstudios gab es keine Metalldetektoren. Die Menschen konnten sich einfach nicht vorstellen, dass irgendwer ausrastete, deshalb waren sie auch über die Amokläufe an Schulen und über Familienmorde so erschüttert. Warum sahen sie nicht ein, dass man mit allem rechnen musste? In Finnland spazierte sogar die Präsidentin herum, wo sie wollte; einmal war ich ihr auf der Toilette im Kinopalast begegnet. In Windanzug und Schirmmütze stand sie neben mir am Waschbecken, wir waren ganz allein, ich hätte ihr alles Mögliche antun können. Doch ich hatte mit keiner Miene verraten, dass ich sie erkannt hatte. Mike Virtue wäre entsetzt gewesen, wenn er davon gehört hätte. Mike legte seine schusssichere Weste nicht einmal zum Schwimmen ab, und Gerüchten zufolge trug er sie sogar im Bett. Da er sich nicht mit Kursteilnehmern einließ, hatten wir für Letzteres

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