Die Leibwächterin (German Edition)
herabhängende Bein einer jungen Frau. Offenbar war eine Prostituierte namens Sarita auf dem Weg zu Paskewitsch gewesen, aber ihr Wagen hatte sich überschlagen und war im Graben gelandet. Ich musste Sarita spielen, so gut ich konnte, selbst wenn das bedeutete … An die letzte Konsequenz wollte ich lieber nicht denken.
Ich wurde in die obere Etage geführt. Das Zimmer am Ende des Flurs, in dem der rothaarige Tätowierte für mich das Licht anknipste, erinnerte an eine Bordellkulisse in einem billigen Porno: Wandbespannung, Vorhänge und Bettbezug waren aus roter Seide und rotem Samt, an der Decke über dem Säulenbett hing ein goldgerahmter Spiegel, ein zweiter stand mitten im Raum, der dritte neben dem Frisiertisch. Auf dem Bett lagen Kleidungsstücke aus schwarzem Vinyl und diverse Lederbänder, auf dem Fußboden standen hochhackige rote Schuhe, die mir mindestens zwei Nummern zu klein waren. Auf dem Frisiertisch sah ich einige Beutel, die bis zum Rand mit Schminkutensilien und Parfümflaschen gefüllt waren.
«Zieh das an, ich komm gleich wieder. Walentin wird langsam ungeduldig.»
Wenigstens eine gute Nachricht: Wenn Paskewitsch sich ein Freudenmädchen als Geburtstagsgeschenk bestellt hatte, plante er offenbar nicht, Helena sofort umzubringen. Oder war ich – beziehungsweise die unbekannte Sarita – nur eine kleine Vorspeise, die seinen Appetit auf die eigentliche Beute anregen sollte? War er jemand, der sich an Gewalt aufgeilte?
Ich zog meinen nassen Regenanzug aus und hängte ihn an den Kleiderhaken. Im Spiegel blickte mich eine Frau in Pullover und warmer Unterwäsche an. Sicher gab es auch ein paar Männer, die ausgerechnet diese Kleidung als ungeheuer sexy empfanden. Unter dem Pullover zeichnete sich das Schulterhalfter ab. Wo sollte ich meine Waffe verstecken? Reizwäsche bot in der Regel keinen Platz für eine Pistole.
Was für ein Outfit hatte man mir überhaupt zugedacht? Die Vinylchaps waren vorn zum Glück so lang, dass sie den strategischen Punkt fast ganz bedeckten, ließen aber den Po völlig frei. Da kein Slip dabeilag, wurde wohl erwartet, dass ich meine Ware offen zur Schau stellte. Die Uniformmütze war aus schwarzem Leder, und die seltsamen Schnüre entpuppten sich als Top, das die Brüste frei ließ, zugleich aber wie eine raffinierte Fesselung wirkte. Unter dem Bändergeflecht befand sich eine Pistolentasche. Ich sah hinein: Drinnen steckte die brauchbare Kopie einer 9-mm-Beretta, mit der man zumindest eine unerfahrene Bankangestellte bluffen könnte, vielleicht sogar einen schreckhaften Polizisten. Der Griff unterschied sich kaum von dem meiner eigenen Waffe. Gefiel es Paskewitsch womöglich, wenn eine Frau ihm einen Pistolenlauf an den Kopf hielt? Ich hatte in New York so viele Clubs und Sexlokale besichtigt, dass mich keine Art, sich aufzugeilen, mehr verblüffte. Aber wenn zu Paskewitschs Sexspielen eine nachgemachte Waffe gehörte, durfte ich es vielleicht doch nicht riskieren, die Kopie gegen meine Glock zu tauschen. Es konnte ja sein, dass Walentin es vorzog, bei seinem Spiel die Pistole auf mich zu richten.
Bis auf das Halfter, die Mütze und die Schuhe zog ich alles an. Dann setzte ich mich an den Schminktisch. Der Rothaarige hatte von Perücken gesprochen. In einer Schublade fand ich einen blonden Zopf. Ich befestigte ihn mit Haarnadeln an meinen Haaren und wickelte ein schwarzes Lederband, das ich in einem der Schminkbeutel entdeckt hatte, um den Ansatz. Die Zimmertür ging auf, der Rothaarige war wieder da.
«Wie lange dauert das noch?»
«Ich muss mich schminken. Irgendwelche Wünsche, was Farbe und Stil angeht? Und die Schuhe passen mir nicht, die sind zu klein.»
«Du hast doch gesagt, Größe achtunddreißig.»
«Acht habe ich gesagt! Hab ich mit dir gesprochen, oder habt ihr noch mehr Taube im Haus?»
«Nicht frech werden, du Hure! Ich guck mal, was ich finde. Wir hatten vor ein paar Wochen einen Transvestiten hier, für Walentins Freund Heinz. Ich seh nach, ob er Schuhe hiergelassen hat. Leg viel Schminke auf, schwarze Augen und rote Lippen. So im Stil böses Mädchen, du weißt schon. Aber mach voran!»
Ich hätte Lust gehabt, den rothaarigen Trottel die Treppe hinunterzuwerfen, aber ich riss mich zusammen. Dass er mich beleidigte, war im Moment nebensächlich. Der Mann stapfte zurück in den Flur, ich hörte, dass er eine Tür aufklinkte. Ich suchte in den Beuteln nach Make-up-Puder, grundierte das Gesicht, zog einen schwarzen Strich um die Augen und
Weitere Kostenlose Bücher