Die Leibwächterin (German Edition)
glaubst. Es ist wahr, dass ich ein Doppelagent bin, und es stimmt auch, dass ich geheime energiepolitische Dokumente von Europol und einigen europäischen Geheimdiensten an Wasiljew verkauft habe. Vielleicht haben einige der Informationen über Aktienverkäufe sogar Einfluss auf die globale Finanzkrise gehabt. Da ich mich als vertrauenswürdig erwiesen habe, hat Wasiljew mir nun eine wichtige Aufgabe übertragen. Ich darf sein Boot steuern. Das heißt, es ist nicht irgendein kleines Boot, sondern Usko Syrjänens Luxusjacht, sie heißt I believe . Ich habe zwar kein Kapitänspatent, aber immerhin die Küstenschifferlizenz. Die anderen in Wasiljews engstem Kreis haben keine entsprechenden Kenntnisse, und Außenstehenden traut Wasiljew nicht. Er würde sie nach ihrem Einsatz eliminieren müssen, aber er hinterlässt ungern Leichen. Die sind zu leicht aufzuspüren.»
«Du hast doch gerade gesagt, er hat Anita Nuutinen umbringen lassen. Du widersprichst dir selbst, Stahl.»
«Für diesen Mord hatte er den perfekten Sündenbock.» David versuchte, die Haltung zu wechseln, erstarrte aber, als ich ihm die Pistole so fest an die Stirn drückte, dass sie einen Abdruck hinterließ. «Hör mir doch zu, Hilja! Wasiljew ist gegen die Erdgas-Pipeline, weil sie möglicherweise seinen Ölhandel beeinträchtigt. Deshalb interessiert er sich für die Gewässer vor Hiidenniemi. Sie bieten ihm eine hervorragende Möglichkeit, die Anrainerstaaten zu erpressen. Der Boden des Finnischen Meerbusens ist in schlechtem Zustand, und niemand weiß, ob das Projekt an der Überprüfung seiner Umweltverträglichkeit scheitert. Soweit es von den Fürsprechern des Vorhabens abhängt, wird es allerdings alle Tests bestehen. In diesem Fall setzt Wasiljew Plan B ein. Das Geschäft ist bereits vereinbart, und der Liefertermin steht fest. Es passiert nächste Woche, am Tag der Präsidentschaftswahl in den USA, wenn die Aufmerksamkeit der ganzen Welt sich auf Washington richtet. Ich muss dafür sorgen, dass das Material für diesen Plan B nicht in Hiidenniemi landet, sondern an irgendeinem Ort, wo es für Wasiljew unerreichbar ist. Wenn ich scheitere, was ich leider für wahrscheinlich halte, gelangt das Zeug womöglich auf den Meeresboden.»
«Was hat Wasiljew geordert?»
«Sr-90-Radioisotope. Die haben eine Halbwertszeit von rund dreißig Jahren. Wenn sie in die Ostsee gelangen, sind die Folgen katastrophal. Ein hervorragendes Instrument zur Erpressung. Aber ich kenne den Plan und bin fest entschlossen, ihn zu durchkreuzen. Vielleicht bin ich nicht nur ein Doppel-, sondern ein Dreifachagent. Bei Europol weiß niemand von meinem Vorhaben. Man würde mich daran hindern, es zu verwirklichen, weil es zu gefährlich ist. Aber es ist der einzige Weg. Ich werde die Jacht mit einer Handgranate in die Luft sprengen. Ganz egal, was man von der Pipeline hält, für Erpressungen darf sie nicht missbraucht werden. Deshalb muss ich Wasiljews Absichten zunichtemachen.»
Ich versuchte, das Szenario zu begreifen. David behauptete also, er sei nicht Wasiljews Handlanger, sondern habe sich nur verstellt. Aber er musste es natürlich so darstellen, um zu erreichen, dass ich ihn laufenließ. Wir hatten uns die ganze Zeit angelogen, warum sollte er jetzt auf einmal die Wahrheit sagen? Allerdings hatte ja auch ich gerade auf die Wahrheit umgeschaltet. Ich hatte nur eine einzige Lüge ausgesprochen: dass es mir keinen Spaß gemacht hätte, mit David zu schlafen.
«Ich soll dich also freilassen, damit du ganz allein und ohne Erlaubnis deiner Vorgesetzten die Welt retten kannst?»
«Die ganze Welt kann ich nicht retten, aber vielleicht ein kleines Stück der Ostsee, auf der ich schon als Kind gesegelt bin. Wasiljew wird auf keinen Fall öffentlich vorgehen, sondern unter anderem die russische Führung in aller Heimlichkeit erpressen. Ich weiß nicht, wie weit die finnische Regierung über die Sicherheitsprobleme informiert ist, die sich mit der Pipeline verbinden. Das wollte ja auch Paskewitsch herausfinden. Kernkraftwerke und Ölquellen kann man bewachen, aber wie kontrolliert man ein ganzes Meer? Wenn man das Recht auf freie Fahrt auf offener See einschränkt, wird sich ein Sturm der Entrüstung erheben. Segler und Freizeitkapitäne lieben ihre Freiheit.»
Ich betrachtete Davids gebundene Hände. Der Gürtel war nur eine Bremse, David hätte sich befreien können, wenn er es wirklich gewollt hätte. Er hätte auch manches andere tun können, denn er wusste so gut wie
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