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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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mein Vater, es gab auf der Welt auch ganz andere Männer, solche wie Onkel Jari und Mike Virtue, solche wie David. Ich ließ meine Pistole sinken und auf den Boden gleiten. Wenn ich mich jetzt irrte, würde ich dafür bezahlen müssen. Ich war es einfach müde, Angst zu haben und zu lügen, immer mit dem Schlimmsten zu rechnen.
    Ich löste den Gürtel von Davids Handgelenken, küsste seine Finger und zog ihm das Hemd aus. David folgte meinem Beispiel und befreite mich von meinen Kleidern, meine Jacke flog zu seinem Hemd auf den Fußboden, Schulterhalfter, Top und BH hinterher. Die restlichen Kleidungsstücke folgten, nichts sollte Davids Haut von meiner Haut trennen. Worte wurden unwichtig, unsere Körper sprachen, sie verstanden sich, sie bissen, saugten, streichelten. An diese Liebkosungen hier würden sie sich erinnern, sie würden uns bleiben, selbst wenn sich die Welt nächste Woche auflöste, selbst wenn sie im nächsten Moment zerspringen würde.

[zur Inhaltsübersicht]
    23
    «Du hast Beine wie ein Luchs», sagte David, als ich aus dem Bad kam. «Ich habe die Wirtin angerufen, sie sagt, der Hottub ist in einer halben Stunde fertig. Möchtest du vorher einen kleinen Imbiss? Ich habe Champagner und Meeresfrüchte da. Unsere vielleicht letzte gemeinsame Mahlzeit darf ruhig luxuriös ausfallen.»
    «Die letzte? Wann musst du denn weg?»
    «Morgen früh. Ich treffe Wasiljew in Moskau und fahre mit ihm nach Finnland zurück, um die Operation vorzubereiten.»
    «Wer ist der Verkäufer?»
    «Es ist besser, wenn du es nicht weißt.»
    «Nimm mich mit, als Unterstützung. Ich kann ein Motorboot steuern. Ich könnte dich aufsammeln, nachdem du die Jacht gesprengt hast.»
    «Es geht nicht, Hilja. Das ist mein letztes Wort. Möchtest du Champagner? Wir haben nur noch wenig Zeit. Lass sie uns genießen.»
    Manchmal ahmt die Wirklichkeit romantische Filme nach, aber kein einziger romantischer Film hätte den Freudentaumel vermitteln können, der mich erfasste, als David und ich im Whirlpool saßen und die nackten Äste betrachteten, die der Wind hin und her schwenkte, wie er wollte. Das Leben war hier, in diesem kurzen, bald verflogenen Moment, und diese kleine Zeitspanne war so gewichtig und bedeutsam, dass sie für den Rest des Lebens genügen würde. Als wäre ich mein Leben lang auf diesen Moment zugesteuert, als hätte ich gewusst, dass er eines Tages kommen würde. Es gab keine Lügen, keine Erklärungen und kein Versteckspiel mehr zwischen uns. Wir versuchten, der Wahrheit so nahe zu kommen wie nur möglich.
    Und es gab so vieles, was wir miteinander teilen wollten: Davids Erinnerungen an Tammisaari, an die Gärten und idyllischen Holzhäuser, an die Polizeischule in Schweden und seine Anstellung bei Europol, seine Trauer darüber, dass er keine Kinder hatte. Ich selbst hatte den Gedanken an ein Kind immer wieder vor mir hergeschoben, in meinem Leben hatte es bisher keine Situation gegeben, in der ich den Wunsch verspürt hatte, Mutter zu werden. Ich erzählte von Fridas Tod und von der Paarung der Luchse auf dem Eis. Wir überlegten gemeinsam, ob das Männchen im nächsten Frühjahr zurückgekehrt war und vergeblich nach Frida gerufen hatte.
    Wieder im Zimmer, schliefen wir kaum, dösten nur eng umschlungen, während draußen der Regen rauschte und das Wasser aus der Dachrinne auf den Felsen plätscherte. Ein wildes Tier konnte man nicht im Haus halten, und einen Menschen konnte man nicht besitzen. Ich durfte David nicht zurückhalten. Beim Frühstück machten wir Witze, denn was brachte es, zu trauern und sich zu grämen?
    «Falls ich Erfolg habe und überlebe, muss ich untertauchen und mir eine neue Identität aufbauen. Ich kann nicht vorhersehen, wie sich die Dinge nach Wasiljews Tod entwickeln, wer in seinem Imperium die Macht übernimmt. Vielleicht bricht es auch zusammen. Wenn ich am Leben bleibe, lasse ich es dich so bald wie möglich wissen. Wenn nicht – glaubst du an ein Leben nach dem Tod?»
    «Ich weiß nicht. Eher nein. Aber …» Ich hatte oft gedacht, dass Onkel Jari und Frida nicht unwiderruflich tot waren, und auch meine Mutter lebte irgendwo in mir, obwohl ich mir ihr Bild nur mühevoll und ungenau ins Gedächtnis rufen konnte. Doch ich erinnerte mich an alle drei, ich liebte sie. Genau so würde ich auch David lieben.
    «Ich habe zu Hause eine anständige lutherische Erziehung bekommen. Meine Mutter hat immer gesagt, dass sie vom Himmel aus ein Auge auf mich haben wird. Vielleicht sage ich

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