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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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bereits im Bizeps. Selbst wenn ich hundert Kilo stemmte, konnte ich meinen Fehler damit nicht ungeschehen machen.
    Draußen raschelte etwas, doch es war nur ein Eichhörnchen, das von Baum zu Baum sprang. Frida war gelegentlich auf der Jagd nach Eichhörnchen in die Bäume geklettert, und wir hatten versucht, ihr klarzumachen, dass so ein Tierchen nicht das richtige Futter für einen ausgewachsenen Luchs war. Onkel Jari hatte ohne Wissen seiner Jagdfreunde Hasen für Frida geschossen. Die Männer hielten sich an das Prinzip, dass man zwar wildern durfte, die Beute aber teilen musste. Ich erinnerte mich noch deutlich daran, wie glücklich Frida an der Haxe eines Elchs nagte, den Matti Hakkarainen heimlich erlegt hatte. Hakkarainen hatte natürlich geglaubt, Onkel Jari und ich würden uns das sehnige Fleisch schmecken lassen. Allerdings hatte seine Frau uns bald darauf gehacktes Elchfleisch gebracht und gemurmelt, Matti sei immer so geizig und wolle die besten Stücke für sich behalten. Fleisch vom Metzger konnten wir uns nur selten leisten, meist kauften wir es nur für Frida. Wozu braucht ein Mensch Fleisch, wenn der See voller Fische ist.
    Ich ging schwimmen und bewunderte danach die Wasserpumpe, die in der Sauna installiert worden war. Erst als Erwachsene war mir aufgegangen, wie asketisch mein Onkel und ich gelebt hatten. Ich war bereits in der Sekundarstufe, als Onkel Jari endlich ein Aggregat kaufte. Er brauchte plötzlich Strom, weil er CDs hören wollte. Die größten Schätze in seinem Musikregal waren die Platten von Abba. Das Luchsjunge war nach einer der beiden Abba-Sängerinnen benannt worden. Als Abba den Eurovision Song Contest gewann, war mein Onkel bei der Armee gewesen, hatte dort die Sendung gesehen und sein Herz an Frida verloren. Und das Luchsjunge hatte er dann nach dem schönsten Wesen getauft, das er kannte. Ich war gar nicht erst nach meiner Meinung gefragt worden.
    Nach dem Schwimmen kochte ich eine große Kanne starken schwarzen Tee, der gegen meine Gedächtnislücken aber auch nichts ausrichtete. Also nahm ich meinen offiziellen Prepaid-Anschluss in Gebrauch und rief Hauptmeister Laitio an.
    «Hilja Ilveskero hier. Sie hatten um Rückruf gebeten. Ich bin auf einer Wanderung in Norwegisch-Lappland, die Verbindung ist schlecht und kann jederzeit abbrechen. Worum geht es denn?»
    Laitio schwieg eine Weile. Der Lappland-Bluff war mir beim Gewichtheben eingefallen. Er gab mir einige Tage Spielraum, zudem konnte ich dadurch glaubhafter behaupten, nichts von Anitas Schicksal zu wissen. Laitio würde vielleicht nicht sofort versuchen, mein Handy zu orten, es sei denn, er hatte einen Haftbefehl.
    «In Norwegen? Das überrascht mich.» Laitios Stimme klang noch mürrischer und rauer als bei der Nachricht, die er mir hinterlassen hatte. «Es geht um deine Arbeitgeberin Anita Nuutinen. Wann hast du sie zuletzt gesehen?»
    Mein Prinzip war, die Wahrheit zu sagen, wann immer es ging, denn früher oder später musste man ohnehin lügen.
    «Meine ehemalige Arbeitgeberin. Ich arbeite nicht mehr für sie. Am Montagnachmittag in Moskau habe ich sie zuletzt gesehen. Wieso?»
    «Wo und wann habt ihr euch getrennt?»
    Ich nannte ihm Ort und Zeit und klagte, die Verbindung werde schwächer. Laitio wollte wissen, wie ich von Moskau nach Norwegen gekommen war. Ich behauptete, nach der Grenze in Kouvola habe eine Freundin auf mich gewartet. Wir seien mit dem Zug weiter nach Joensuu und von dort mit einem Mietwagen nach Norwegen gefahren, das habe die ganze Nacht gedauert. Erneut fragte ich, warum die Polizei mich sprechen wollte. Anstatt zu antworten, setzte Laitio sein Katz-und-Maus-Spiel fort.
    «Du warst Anita Nuutinens Leibwächterin. Wer hat ihr Leben bedroht?»
    «Es ging nicht um ihr Leben, sondern um den Schutz ihres Eigentums. Anita hatte zwar Differenzen mit ihrem früheren Geschäftspartner Walentin Paskewitsch gehabt, aber die wurden wohl schon vor Jahren beigelegt.»
    «Du hast also nicht damit gerechnet, dass Frau Nuutinen in unmittelbarer Gefahr wäre, wenn du kündigst?»
    «Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Ist Anita etwas zugestoßen? Ich habe auf ihre Anrufe nicht reagiert, weil ich mir von ihr nicht den wohlverdienten Urlaub mit meiner Freundin verderben lassen will. Außerdem gibt es hier in der Einöde keine Gelegenheit, das Handy aufzuladen. Warum fragen Sie nach Anita?»
    Obwohl Laitio mich duzte, blieb ich beim Sie, um ihn auf Distanz zu halten. Er erkundigte sich, wann ich in die

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