Die Leibwächterin (German Edition)
fragte:
«Fängt euer Geheimnis mit einem i an?» Sie keuchte merkwürdig. «Ach nein, das Wort kennst du natürlich nicht, liebes Kind, wie soll ich es …»
«Doch, das kenne ich, es fängt mit i an!» Wie kam die Lehrerin auf die Idee, ich wüsste nicht, wie man ilves , Luchs, schrieb? «Aber mehr darf ich nicht sagen», fügte ich erschrocken hinzu. Nun würde Onkel Jari erst recht wütend sein. «Mein Bus fährt gleich», versuchte ich mich aus der Schlinge zu ziehen. Frida hatte mich ein paarmal blutig gekratzt, aber die Kratzer heilten auch ohne die Gesundheitsfürsorgerin, die jeden Dienstag in unsere Schule kam. In diesem Jahr standen für unsere Klasse keine Impfungen an, aber wir hatten trotzdem Angst vor der Schulschwester. Sie hatte kalte Hände und roch komisch. Erst als Teenager begriff ich, dass ihr Maiglöckchenparfüm schon verdorben gewesen war, als sie es gekauft hatte.
Am Freitag erschraken wir alle, denn kurz vor dem Mittagessen erschien die Schulschwester. Bisher war sie erst einmal am falschen Tag gekommen, das war, als Hannu Hakkarainen Läuse hatte und bei allen Schülern der Kopf inspiziert wurde. Damals war ich Erstklässlerin gewesen und hatte noch wochenlang meinen Kopf nach Läusen abgesucht. Jetzt holte die Schulschwester mich aus der Klasse. Ich hörte das Getuschel hinter meinem Rücken, als ich mich zwischen den Pulten hindurchschlängelte und auf den Flur ging. Die Schulschwester führte mich in ihr Sprechzimmer, das eigentlich ein Lagerraum für Karten und sonstiges Unterrichtsmaterial war. Ganz oben auf dem Regal stand ein ausgestopfter Sperlingskauz.
«Das Geheimnis zwischen dir und deinem Onkel …», druckste die Schulschwester. «Tut es dir weh?»
Ich starrte sie verwundert an. «Nein, es ist doch lieb … Richtig süß. Es kratzt mich manchmal, aber das ist nicht so schlimm. Guck, der Schorf geht schon bald ab.» Ich rollte den Ärmel hoch, Frida hatte mich vor einer Woche am Arm gekratzt.
«Es kratzt …» Die Schulschwester wimmerte beinahe. «Hör zu, Hilja, du musst dich jetzt ganz ausziehen.» Sie schob einen Wandschirm vor die Tür und legte ein Papierlaken auf das alte Bett, das als Untersuchungsliege diente.
«Wieso?» Ich verstand nicht, mit welchem Recht sie einfach so in die Schule kam und mir befahl, mich auszuziehen. Ich hatte nicht einmal Halsschmerzen, und meine Lunge brauchte auch nicht abgehorcht zu werden.
«Du ziehst dich jetzt aus!» Ihre Stimme klang nun noch schärfer als sonst. Die Sechstklässler hatten erzählt, in der fünften Klasse gäbe es eine Pimmelinspektion, aber die betraf nur die Jungen.
Ich zog mich langsam aus, denn es war kalt in dem Raum. Unter der Jeans trug ich eine rote Strumpfhose und einen rosa Slip, dessen Saum ausgefranst war. Ich zog Strickjacke und Hemd aus, dann Jeans und Strumpfhose. Die Unterhose behielt ich an. Die Schulschwester untersuchte meine Haut und fragte, woher ich die Narben und Kratzer hatte.
«Unsere Katze ist ein bisschen wild», antwortete ich. Luchse waren ja Katzentiere.
«Eure Katze, soso … Die hat aber große Krallen.» Obwohl die Schulschwester keinen Adamsapfel hatte wie die Männer, rutschte irgendetwas in ihrem Hals auf und ab. «Zieh mal die Unterhose aus und leg dich hin.» Sie zeigte auf das Bett. «Jetzt heb die Beine hoch und mach sie auseinander.»
Das tat ich, aber als die Schulschwester ohne Vorwarnung ein eiskaltes Ding aus Metall in mich hineinsteckte, kreischte ich und trat ihr ins Gesicht. Sie ließ das Metallding los. Ich riss es heraus und schrie weiter. Als sie versuchte, mich zu berühren, fauchte und biss ich: Ich schrie nun nicht mehr, sondern knurrte böse, wie Frida es bisweilen tat. Schließlich gab die Schwester auf. Sie befahl mir, mich anzuziehen, und ging dann mit mir zum Klassenzimmer, ließ mich aber nicht hinein, sondern holte die Lehrerin auf den Flur.
«Sie hat sich nicht untersuchen lassen, sondern getobt wie eine Schwachsinnige. Gebissen hat sie mich auch. Na, bei dem Erbgut … Ist sie eine Gefahr für die anderen Kinder?»
«Ich habe nichts dergleichen bemerkt.»
«Der Arzt soll sie untersuchen, im Gesundheitszentrum haben sie Riemen an den Liegen. Wir müssen sie wohl hinbringen. Haben Sie irgendwann Zeit, mit ihr hinzufahren?»
«Montags und freitags ist um ein Uhr Schulschluss.»
«Dann also gleich am Montag, ich kümmere mich um den Termin. Irgendetwas ist faul, sonst hätte sie nicht so getobt. Wir müssen die Sozialfürsorgerin
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