Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
Schrumpfköpfe reizen würde...»
    «...bräuchte er nicht zur Brechstange zu greifen.»
    Jane Cotterell lächelte und brachte damit das Herz des Chief Inspector noch ein bißchen mehr zum Schmelzen.
    «Darf ich daraus schließen, daß Sie gern Näheres über unser Sicherheitssystem wüßten?»
    «Nein, nein...» protestierte Morse.
    Sie stand auf. «Also gut, dann fangen wir mal an.»

    Zwanzig Minuten später waren sie wieder in ihrem Büro.
    «Vielen Dank für Ihre Geduld. Es war sehr freundlich, daß Sie mir soviel von Ihrer kostbaren Zeit geopfert haben», sagte Morse. «Besonders dankenswert bei einer so wichtigen Person, wie Sie es sind...»
    «Aber wieso...?»
    «Das Schild Direktion an Ihrer Bürotür ist sehr beeindruckend. Außerdem hat Ihr Zimmer einen sehr schönen textilen Bodenbelag, und Sie haben sicher auch einen reservierten Parkplatz. Einen mit Namensschild.»
    «Nicht mit Namensschild. Leider.»
    «Trotzdem...»
    «Haben Sie das alles nicht?»
    «Ich habe meinen Namen an der Tür, aber vielleicht nicht mehr lange, und nur einen kleinen Läufer, der eine abgewetzte Stelle hat, weil dort immer mein megapedischer Sergeant steht und mit den Füßen scharrt.»
    «Megapedisch... Gibt es dieses Wort wirklich?»
    «Wenn ich nach Hause komme, schau ich gleich mal nach, ich habe mir nämlich gerade ein Shorter Oxford Dictionary geleistet.»
    «Wo sind Sie zu Hause?»
    «Banbury Road. Ist das in Ihrer Nähe?»
    «Nein, ich wohne in einer ganz anderen Ecke.» Als er gegangen war, sah sie einen Augenblick gedankenvoll auf ihren so überraschend aufgewerteten alten Teppichboden herunter.

    Wenige Minuten zuvor hatte sich Brenda Brooks nicht ungern überreden lassen, Julia auch noch das letzte Briefblatt auszuhändigen, das, wie Julia sogleich begriff, die Briefschreiberin durchaus belasten konnte, besonders der bewegende Absatz ganz zum Schluß:

    Er hat mir alles kaputtgemacht, Mum, auch den Sex. Aber das Schlimmste war das Gefühl, daß ich vielleicht an allem doch selbst schuld war. Er hat mein Leben zerstört, und wenn sie ihn mal irgendwo als Leiche finden, dann weißt Du, daß ich ihn umgebracht habe.

    Merkwürdigerweise war Julia nicht schockiert. Im Gegenteil — sie spürte, wie ihr Herz sich verhärtete. Sollte man Brooks tatsächlich irgendwann mal als Leiche finden, wäre seine Stieftochter bestimmt nicht die einzige Verdächtige, dachte sie bei sich.

23

    Eines Tages gelang es mir, mich nach Schließung des Natural History Museum in der Abteilung für wirbellose Fossilien zu verstecken, so daß ich eine verwunschene Nacht lang mit einer Taschenlampe allein von Raum zu Raum wandern konnte.
    (Oliver Sacks, The Observer, 9. Januar 1994)

    Eine Weile ging Morse ziellos durch die Räume. Im Erdgeschoß bemühte er sich, Interesse für die hohen Glasvitrinen aufzubringen, in denen man die Entwicklung von Feuerwaffen und die Geschichte des Webstuhls und des Webens verfolgten, japanische Nō-Masken, alte Musikinstrumente, Schilde, Töpfe, Bootsmodelle, Kinderrasseln, nordamerikanische Trachten und unzählige Edelsteine und Halbedelsteine bewundern konnte.
    Wie der Besucher einer berühmten Gemäldegalerie die Kreuzigungsszenen aus dem 14. Jahrhundert irgendwann satt hat, sah sich auch Morse nach anderen Angeboten um. Er stieg die Steinstufen zur Oberen Galerie hinauf, wo sich beim Gang an den schwarzen Schaukästen entlang alsbald ein ähnliches Gefühl der Übersättigung einstellte. Hier konnte der Besucher in großer Zahl Äxte, Breitbeile, Zangen, Scheren, Schlüssel, Münzen, Tierfallen, Spezialwerkzeuge aus Burma, Siam, Japan und Indonesien bewundern.
    In einem Schaukasten zählte er vierundsechzig Instrumente aus der Frühzeit der Heilkunst, alle mit schwarzer Tinte auf weißen Kärtchen handschriftlich gekennzeichnet mit Angabe von Herkunft und Verwendungszweck (soweit bekannt). Besonders fesselte ihn eine primitive Extraktionszange aus Tonga, die auf dem (offenbar kürzlich erneuerten) gelblichen Stoff, mit dem der Schaukasten ausgelegt war, besonders beängstigend wirkte, und er dankte wieder einmal dem Schicksal, daß es heutzutage Betäubungsmittel gab.
    Damit, fand er, hatte er seiner Pflicht Genüge getan. Daß er eine außergewöhnlich bedeutsame Beobachtung gemacht hatte, war ihm in diesem Moment noch nicht klar. Lewis würde schon auf ihn warten. Lewis war immer pünktlich.
    Die Obere Galerie war zur Zeit leer und wirkte plötzlich fast ein wenig bedrohlich. Morse überlief eine

Weitere Kostenlose Bücher