Die Leiche am Fluß
dem McClure erstochen wird, einen Herzanfall. Da kommt eins zum anderen, Lewis...»
«Aber Sie halten doch sonst so viel von Zufällen.»
«Zwei könnte ich vielleicht noch schlucken. Aber drei... »
Bei Lewis, der Morse durchaus zugetraut hätte, auch vier zu schlucken, kam er damit nicht recht an. Der Sergeant sah sich um. Morse und er waren die letzten Gäste. Es war 15.10 Uhr.
«Wir müssen langsam los, Sir.»
«Quatsch. Die nächste Runde geht auf mich.»
«Die Polizeistunde ist schon vorbei.»
«Quatsch.»
Der Wirt erklärte klipp und klar, er bekäme todsicher Ärger mit der Polizei, wenn er sonntags um drei noch etwas ausschenkte, und ließ sich auch von Morses Erklärung, er sei die Polizei, nicht beeindrucken. Eine knappe Minute später schloß Lewis ziemlich verlegen die Beifahrertür des Jaguar auf, packte Morse hinein und fuhr ihn zurück nach North Oxford.
32
Dies sind, wie gesagt, beschwerliche Methoden, einen Mann zu ermorden. Einfacher, direkter und geschickter ist es, ihn irgendwo mitten ins 20. Jahrhundert zu setzen und ihn dort zurückzulassen.
(Edwin Brock, Five Ways to Kill a Man)
Auf der Rückfahrt hatte sich Morse ständig den Schweiß von der Stirn gewischt, und sobald er wieder zu Hause war, schenkte er sich unter dem besorgten Blick seines Sergeant sofort eine Dose Bier ein. Gegen den Flüssigkeitsverlust, wie er behauptete.
«Sie sollten Ihren Arzt anrufen. Und nichts mehr trinken, wo Sie so viele Medikamente schlucken.»
«Ihre Sorge um meine Gesundheit ist wirklich rührend», giftete Morse. «Aber ich verbitte mir Bemerkungen über meinen Alkoholkonsum. Ist – das - klar?»
Lewis stand verärgert auf. «Na gut, dann will ich mal wieder los...»
«Setzen Sie sich!»
Morse holte eine Zigarette heraus und sah zu Lewis hoch. «Rauchen sollte ich Ihrer Meinung nach wohl auch nicht?»
«Es ist Ihr Leben. Wenn Sie unbedingt so früh abtreten wollen...»
«Ich habe durchaus noch keine Lust zu sterben», sagte Morse leise. Lewis merkte überrascht, wie sich seine Verärgerung legte. Er setzte sich.
Morse steckte die Zigarette wieder in die Packung. «Tut mir leid, daß ich Sie angefahren habe. Meine Unabhängigkeit geht mir eben über alles. Ist vielleicht manchmal übertrieben. Ich lasse mir nicht gern Vorschriften machen. Okay?»
«So, und jetzt lassen Sie mal hören, wie Sie über Brooks denken.»
«Nein, Sir. Der große Denker sind Sie. Dafür kriegen Sie auch mehr Gehalt.»
«Ich sehe den Fall nicht anders als vorher. Nach Rodways Selbstmord erfuhr McClure, daß auf seinem Aufgang Drogen gehandelt wurden - Cannabis, Amphetamine, Kokain, Crack, Ecstasy, LSD, Heroin, was auch immer — und daß das Zeug von Brooks kam, der sich damit eine goldene Nase verdiente. Irgendwann hat McClure ihm dann nahegelegt, seinen Job im College aufzugeben und sich dort nie wieder sehen zu lassen. Andernfalls würde er ihn der Hochschulleitung melden, möglicherweise auch die Polizei verständigen und ihn strafrechtlich verfolgen lassen. Brooks begriff, daß es brenzlig für ihn wurde, kündigte und bekam einen neuen Job am Pitt Rivers Museum, für den McClure ihm eine laue Empfehlung schrieb. Doch die Kontakte zu seinen Kunden waren nicht abgerissen, so daß er seine lukrativen Geschäfte weiterbetreiben konnte. McClure bekam Wind davon, stellte ihn zur Rede und machte ihm klar, daß er es diesmal nicht bei einer leeren Drohung belassen würde. Kann sein, daß Brooks gegen McClure irgendwas in der Hand hatte, aber zunächst gab er sich verhandlungsbereit und verabredete sich vor einer Woche mit McClure in dessen Wohnung in Daventry Court.»
«Sie nehmen ihm also sein Alibi nicht ab?»
«Das Alibi, das Mrs. Brooks ihm gezimmert hat, meinen Sie? Nein, natürlich nicht.»
«Und Sie glauben, daß er mit dem Rad zu McClure gefahren ist?»
«Ja. Ob er da schon zu dem Mord entschlossen war, weiß ich nicht; die Tatwaffe — ein Messer aus der Küche seiner Frau — hatte er jedenfalls bei sich. Außerdem machte er sich noch möglichst unkenntlich — vielleicht mit einem Tuch vor dem Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen — , und da er auch einen Fahrradhelm trug...»
«Das erfinden Sie doch jetzt alles, Sir.»
Morse wischte sich erneut die Stirn. «Ja, natürlich. Bei so einem Fall braucht man eine Art Gerüst, man muß Hypothesen aufstellen...»
«Ihre Hypothese über das Messer, Sir?»
«Das hat er in den Kanal geworfen.»
«So daß wir es nicht finden werden?»
«Genau. Sonst
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