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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wäre es inzwischen schon da.»
    «Es sei denn, daß er es mit nach Hause genommen, abgewaschen und wieder in die Schublade gelegt hat.»
    «Hm...»
    «Wahrscheinlich wollte er es in den Kanal werfen, aber dann ist was dazwischengekommen.»
    «Zum Beispiel?»
    «Zum Beispiel ein Herzinfarkt.»
    Morse nickte. «Wenn er plötzlich merkte, daß er keine Zeit mehr hatte... wenn er heftige Schmerzen spürte...»
    «Ein irrer Schmerz... so hat er es ausgedrückt.»
    «Hm...»
    «Aber was ist mit dem Fahrrad? Er war damit in Daventry Court. Warum ist er nicht, als er plötzlich Schmerzen bekam, auf dem schnellsten Weg nach Hause gefahren?»
    Morse schüttelte den Kopf. «Da paßt was nicht zusammen. Er muß es auf dem Rückweg irgendwo abgestellt haben.»
    «Aber wo?»
    Morse überlegte. Dann fiel ihm ein, was Brooks gesagt hatte: Ein geklautes Fahrrad melden? Hier in Oxford? Sie sind vielleicht ‘n Scherzkeks... Das Problem war gelöst.
    «Kennen Sie das Gedicht Five Ways to Kill a Man?»
    «Nein.»
    Morse rappelte sich mühsam auf, holte eine Anthologie moderner Lyrik aus dem Regal, schlug Brock im Index nach, blätterte einen Augenblick und las die letzte Stanze laut vor.
    Lewis war es zwar gewöhnt, daß Morse hin und wieder beim Bier die eine oder andere passende Gedichtzeile zitierte, sah aber in diesem Fall keinen logischen Zusammenhang.
    «Da komme ich nicht mit, Sir.»
    Morse überflog die Stanze noch einmal und lieferte dann seine Parodie dazu:
    «Es gibt verschiedene beschwerliche Methoden,
    ein Fahrrad loszuwerden. Man kann es zum Beispiel in den Kanal werfen.
    Einfacher, direkter und geschickter aber ist es, das Ding
    beispielsweise auf den Cornmarket in Oxford zu schaffen und dort stehenzulassen.»

    «Sie hätten Dichter werden sollen, Sir.»
    «Ich bin einer, Lewis.»
    Morse hustete blutigen Auswurf in sein Taschentuch. Lewis hatte es gesehen, sagte aber wohlweislich nichts dazu.
    «Zunächst sollten wir uns Brooks holen und Susan Ewers’ Aussage mit ihm durchgehen. Sie ist eine gute Zeugin, da wird er was Besseres liefern müssen als das, was er uns heute nachmittag vorgesetzt hat.»
    «Und wann? Er soll ja nicht unseretwegen einen zweiten Herzinfarkt kriegen.»
    «Nein?»
    «In ein, zwei Tagen?»
    «Sagen wir in zwei, drei Tagen.»
    Morse leerte sein Glas. Er hatte erstaunlich lange dazu gebraucht, und Lewis wußte nun, daß sein Chef ernstlich krank war.
    «Was ist mit dem Foto von Mrs. Brooks’ Tochter, Sir?»
    «Gute Frage, Lewis. Ich überlege die ganze Zeit, wie diese junge Dame ins Bild paßt. Kay... K... Ellie... es muß ein und dieselbe Person sein. Mrs. Brooks’ Tochter... Mr. Brooks’ Stieftochter... die Dame, die den Herren Rodway und Davies zu Diensten war... das von Dr. McClure...»
    «Eine erstaunliche Person.»
    «Aber vergessen Sie auch das andere Foto nicht, Lewis. Ich habe das Gefühl, daß diese Lehrerin Licht...»
    Was er noch hatte sagen wollen, ging in einem heftigen Hustenanfall unter. Er verschwand im Badezimmer, wo Lewis ihn scheußlich würgen hörte.
    Er ging in die Diele und drückte den Buchstaben S auf dem schwarzen Telefonregister. Unter Summertown Health Centre fand er eine Nummer, hinter der «Termine», und eine zweite, hinter der «Notfälle» stand. Er wählte die zweite.

    Am gleichen Nachmittag inspizierte Dr. Richard Rayson, anerkannter Chaucer-Experte und Fellow am Trinity College, Oxford, seinen Garten in der Daventry Avenue, nachdem er fast drei Wochen mit seiner Familie in den Dolomiten verbracht hatte. Seine Begeisterung für Gartenarbeit hielt sich in Grenzen, und als sein Blick über den verwahrlosten Rasen ging, fühlte er sich lebhaft an die ihm allerdings nur aus Büchern bei annte Steppe Innerasiens erinnert.
    Erstaunlicherweise (denn für gewöhnlich war er kein besonders guter Beobachter) bemerkte er das Messer sehr schnell, das zwischen einem unbeschnittenen Lorbeerbusch und dem lange nicht mehr gestrichenen Zaun neben einer zerdrückten Coca-Cola-Dose lag.
    Nina Rayson, die mit ihrer praktischen Einstellung ihren etwas weltfremden Ehemann ideal ergänzte, hatte dessen Fund sorgfältig abgewaschen und ihrem Besteckvorrat einverleibt. Es war ein gutes, solides, noch ziemlich neues Messer mit einer ungewöhnlich breiten Klinge, die zunächst nicht nachgeschliffen zu werden brauchte.

    Am gleichen Abend um halb zehn war Brenda Brooks mit ihren Nerven ziemlich am Ende. Dennoch hatte sie ihren widerwärtigen Ehemann umsichtig ins Bett gebracht

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