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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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war?»
    «Wieso? Es ist die natürlichste Sache der Welt.»
    «Achja?»
    «Sie haßt ihn.»
    «Und warum?»
    «Weil er brutal zu ihr ist.»
    «Woher wissen Sie das?»
    «Brenda hat es mir erzählt.»
    «Sie haben es aber nicht selber gesehen?»
    «Ich bin ihm nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen.»
    «Sind Sie dann nicht ein bißchen unfair?»
    «Das glaube ich nicht.»
    «Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte?»
    «Nein. Aber ich hoffe, jemand hat ihn abgestochen.»
    Morse überlegte, ob Julia Stevens wirklich nur den sehr hellen Teint der Rothaarigen hatte oder ob ihre Blässe nicht vielleicht das Anzeichen einer Erkrankung war. In dem ansonsten so gut wie ungeschminkten Gesicht waren die dunklen Schatten unter den Augen mit hautfarbenem Make-up abgedeckt.
    «Ist Mrs. Brooks gestern abend noch einmal weggegangen?»
    Julia lächelte nachsichtig. «Sie meinen, ob sie auf einen Sprung zu Hause war und ihren Mann umgebracht hat?»
    «Ich will ja nur wissen, ob es möglich gewesen wäre.»
    «Theoretisch schon. Sie hat einen Schlüssel zu meinem Haus. Aber was hätte sie mit der Leiche anfangen sollen?»
    «Sie hat also Ihr Haus in der vergangenen Nacht nicht verlassen?»
    «Ich weiß nur, daß sie heute früh um sieben, als ich ihr eine Tasse Tee brachte, fest schlief.»
    «Sie waren seit gestern nachmittag die ganze Zeit zusammen?»
    «Ja, seit Viertel vor vier. Ich wollte sie eigentlich mit dem Wagen abholen, aber ausgerechnet gestern hat er gestreikt. Irgendwas mit der Elektronik.»
    Morse, der nicht mal den Unterschied zwischen Bremsflüssigkeit und Frostschutzmittel kannte, nickte weise. «Sie sollten sich einen Wagen anschaffen, wie ich ihn habe. Der stammt noch aus dem vorelektronischen Zeitalter.»
    Julia lächelte höflich. «Wir sind dann mit dem Bus zur Schule gefahren und... ja, das war’s schon:»
    «Waren Sie bei Mrs. Brooks im Haus?»
    «Ja, in der Diele.»
    «War Mr. Brooks zu Hause?»
    «Ja. Er wollte später auch weg, aber als wir gingen, war er noch da.»
    «Haben Sie mit ihm gesprochen?»
    «Um mich höflich nach seinem Befinden zu erkundigen? Sie sind ein Witzbold.»
    «Hat seine Frau mit ihm gesprochen?»
    «Ja. Sie hat gesagt.»
    «Nicht oder
    «Nein.»
    «Und sind Sie gestern abend noch einmal ausgegangen?»
    «Haben Sie mich etwa auch im Verdacht, Inspector?»
    «In was für einem Verdacht, Mrs. Stevens?»
    In Julias klaren grauen Augen blitzte es belustigt. «Wenn jemand diesen Mistkerl umgebracht hat...»
    «Das würden Sie wohl begrüßen!»
    «Daraus habe ich von Anfang an kein Hehl gemacht, Inspector.»
    «Haben Sie heute im Lauf des Tages mit Mrs. Brooks gesprochen?»
    «Nein, ich war den ganzen Tag in der Schule. Der Donnerstag ist immer besonders hart. Keine einzige Freistunde. Nach dem Unterricht hatten wir noch eine Konferenz. Wieder mal wegen der Vereinheitlichung der Lehrpläne.»
    «Hm.»
    Einen Augenblick schwiegen sie sich an. Morse sah sich im Wohnzimmer um, in dem eine anheimelnde Unordnung herrschte. Auf dem Sofa lag ein Band mit Gedichten von Ernest Dowson. «Lesen Sie gern Dowson?» fragte er.
    «Sie kennen ihn?»

    «Es währt nicht lang, das Weinen und das Lachen,
    Liebe, Begehren und Haß ...»

    «Gratuliere... Wissen Sie auch, wie es weitergeht?»
    «O ja», versetzte Morse leise.
    Zum erstenmal an diesem Abend verriet Julia Stevens eine gewisse Unruhe, und Morse meinte zu erkennen, wie ihre Augen feucht wurden. «Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Inspector?»
    Ja, du kannst mit mir schlafen. Nicht daß ich dich liebe, aber ich spüre den Zauber und die Bereitschaft dieses Augenblicks, und beides wird bald erloschen sein.
    «Nein», sagte er, «das wäre dann wohl alles.»
    Das Telefon läutete, als sie in die kleine Diele kamen, und Julia hob rasch ab.
    «Hallo? Ach... hallo! Ich rufe in fünf Minuten zurück, ja? Wie war doch gleich die Nummer...» Sie schrieb fünf Ziffern auf einen kleinen gelben Block und verabschiedete sich rasch. Am anderen Ende der Leitung antwortete (wenn Morse recht gehört hatte) eine Männerstimme.
    An der Tür waren beide drauf und dran, sich kurz zu umarmen. Aber sie taten es nicht.
    Und Morse hätte in diesem Moment durchaus die wahre Bedeutung dessen, was Julia Stevens ihm erzählt hatte, erkennen können. Aber auch daraus wurde nichts.

42

    Man kann eine Hure mit Kultur vertraut machen,
    aber nicht zum Denken bringen.
    (Dorothy Parker zugeschrieben)

    «Haben Sie in Ihrem Auto denn

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