Die Leiche am Fluß
mystischen Blick, den er inzwischen so gut kannte.
«Die Leiche von Brooks ist so gut versteckt, daß wir sie nie finden werden. Vielleicht liegt sie in einem Heizungskessel oder unter Beton oder auf einer Müllkippe...»
«Abfallentsorgungsanlage.»
«Meinetwegen auch das. Aber überlegen Sie mal, welche Folgen es hat, wenn die Leiche nicht gefunden wird. Wir kommen zu dem gleichen Schluß wie die gescheite Kuratorin des Pitt Rivers Museum: daß es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Mord an Brooks und dem Diebstahl des Messers geben muß. Dabei handelt es sich hier um eine raffinierte Täuschung von seiten desjenigen, der den Mord beging.»
«Oder derjenigen...»
«Ganz recht: oder derjenigen. Die Schlüsselfrage aber ist, wie gesagt: Warum wurde das Messer gestohlen? Ich will es Ihnen sagen. Der Diebstahl war ein frecher Bluff. Wir sollten denken, daß Brooks am Mittwoch, dem 7. September, nach 16.30 Uhr ermordet wurde. Dabei wurde er bereits am Dienstag, dem 6. September, umgebracht.»
«Aber am Mittwoch hat er noch gelebt, Sir. Seine Frau hat ihn gesehen, Mrs. Stevens hat ihn gesehen...»
«Glatt gelogen.»
«Von beiden?»
«Von beiden.»
«Soll das heißen... soll das heißen, daß die beiden Frauen Brooks ermordet haben?»
«Genau. Julia Stevens hat den Plan ausgeheckt und die Geschichte mit dem Messer arrangiert. Wenn nun aber Brooks mit einem anderen Messer erstochen worden ist, einem Küchenmesser wie dem in der Daventry Avenue gefundenen, mit dem McClure ermordet wurde? Mit ebenjenem Messer, das in dem Messer-Set von Mrs. Brooks fehlt?»
Lewis schüttelte einigermaßen hilflos den Kopf. «Warum dann aber dieses ganze Theater?»
«Gute Frage, Lewis. Um dem Mörder — oder den Mördern — ein wasserdichtes Alibi für den Mittwoch zu verschaffen. Ich habe so was gewittert, als ich mit Julia Stevens sprach, und die Unterhaltung mit unserer Punklady hat mir dann die Bestätigung geliefert.»
«Meinen Sie, daß die auch mit drinsteckt.»
Morse nickte. «Sie haben uns alle drei praktisch dasselbe erzählt. Daß sie kein Alibi für den Tag haben, an dem Brooks ermordet wurde, stört sie nicht weiter. Sie wußten, daß sie für den Tag danach, den Mittwoch, ein Alibi brauchen würden, und siehe da, alle drei können ein wunderschönes Alibi vorweisen. Sehr clever, wie wenig sie sich scheinbar um den eigentlichen Mordtag, den Dienstag, gekümmert haben. Sie wußten natürlich, daß der Verdacht auf sie fallen würde, und haben uns sehr geschickt manipuliert.»
«Alle drei?»
«Ja. Sie hatten gute Gründe, Brooks umzubringen: Da ist die Ehefrau, mit der er so brutal umspringt, dann die Stieftochter, die er vermutlich mißbraucht hat, und Julia Stevens, die es nicht mit ansehen kann, wie dieser Mann ihre freundliche kleine Putzfrau schikaniert. Also setzen sie sich zusammen und schmieden ein Komplott. Sie geben den Diebstahl des Messers in Auftrag und sorgen dafür, daß niemand ihnen den Diebstahl nachweisen kann...»
«Eleanor Smith hätte ihn begehen können», bemerkte Lewis.
«Stimmt. Aber ich halte das für unwahrscheinlich. Der Aufseher meinte, es sei vermutlich ein Mann gewesen. Nein, ich glaube, sie haben jemanden beauftragt. Jemanden, dem sie vertrauen oder dem zumindest eine von ihnen vertrauen konnte.»
«Ashley Davies?»
«Warum nicht? Seine Belohnung hat er ja inzwischen kassiert.»
«Halten Sie das für eine Belohnung? So eine zu heiraten?»
Morse schwieg einen Augenblick. «Warum nicht, Lewis? Warum nicht...»
«Und was haben sie mit dem Messer gemacht?»
«Das ist der Knackpunkt, Lewis. Das gestohlene Messer wurde nicht benutzt, sondern einfach beseitigt.»
«So einfach geht das aber nicht.»
«Ach nein? Sie brauchten das Messer nur in den wöchentlichen Müllsack zu stecken, dann waren sie es ein für allemal los. In einem Müllsack können Sie sogar eine zerstückelte Leiche beseitigen. Kein Problem. Bekanntlich weigern die Müllmänner sich nur, Gartenabfälle mitzunehmen...»
«Wenn das stimmt, Sir, haben wir es mit einem sehr schlauen Kopf zu tun.»
«Warum geht eigentlich heutzutage die Sage, alle Kriminellen seien Blödmänner und die Herren von der Kriminalpolizei sämtlich Vertreter einer geistigen Elite?»
«Das zweite ist vielleicht gar nicht so falsch», sagte Lewis gedankenvoll.
«Bitte?»
«Ja, also... ich hab mich nämlich geistig auch ganz schön angestrengt, als Sie weg waren. Höchstwahrscheinlich hab ich das Fahrrad von Brooks
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