Die Leiche am Fluß
Trimester lang die Lehrkräfte an der Proctor Memorial School.
Sie versuchte sich zu erinnern, wo sie den Volvo geparkt hatte. Und dann fiel ihr unvermittelt Chief Inspector Morse ein.
49
Manchmal überlege ich, was schöner wäre:
Eine Oper ohne Pause oder eine Pause ohne Oper.
(Ernest Newman, Berlioz, Romantic and Classic)
Von den vier Opern, aus denen sich Der Ring der Nibelungen zusammensetzt (ein Kunstwerk, das nach Meinung von Morse zu den sieben modernen Weltwundern zählte), machte ihm der Siegfried seit jeher die meisten Probleme. Am Samstag abend, dem 17. September, versuchte er wieder einmal zu ergründen, ob das an ihm oder an Wagner lag. Aber es war ihm nicht beschieden, das Werk ohne Störung zu genießen.
Um 19.3 5 Uhr rief Lewis an und meldete aufgeregt, daß man an Lenker und Sattel des grünen Fahrrads Blutspuren gefunden hatte und erste Untersuchungen dafür sprachen, daß es sich dabei um McClures Blut handelte. Damit war endlich der erste konkrete Zusammenhang zwischen Felix McClure und Edward Brooks erbracht, denn Brenda Brooks hatte inzwischen das Fahrrad als das ihres Mannes identifiziert, und ein Mitarbeiter von Halford Cycles in der Cowley Road hatte bestätigt, daß Brooks ebendieses Rad vor etwa vier Monaten dort erworben hatte. Falls Morse einverstanden war, würden sie nun einen Haftbefehl für Edward Brooks beantragen.
Morse war einverstanden.
Daß der per Haftbefehl Gesuchte nach wie vor verschwunden war, schmälerte den Triumph seines Sergeant ein wenig, aber Morse schien überaus zufrieden und sagte, Lewis habe seine Sache gut gemacht, verbat sich aber weitere Störungen. Es sei denn, Lewis habe etwas absolut Weltbewegendes zu vermelden — die Geburt eines zweiten Richard Wagner beispielsweise.
Morse setzte sich wieder behaglich zurecht, schenkte sich den nächsten Scotch ein, zündete sich eine neue Zigarette an und konzentrierte sich weiter auf den Siegfried.
Nur sehr wenige Menschen kannten die Privatnummer von Chief Inspector Morse; im übrigen hatte er sich erst vor ein paar Monaten eine zuteilen lassen. Als deshalb nach weiteren vierzig Siegfried-Minuten das Telefon erneut läutete, wußte Morse, daß es nur Lewis sein konnte. Er knallte verärgert das Libretto auf den Tisch und meldete sich knurrig.
«Was ist denn jetzt schon wieder?»
«Hallo? Chief Inspector Morse?» Morse erkannte die Frauenstimme sofort. Eine Schnapsidee, dieser Punklady seine Nummer zu geben!
«Ja?»
«Sie haben doch gesagt, daß ich Sie jederzeit anrufen kann, wenn ich Hilfe brauche...»
«Was kann ich für Sie tun?» fragte Morse leicht genervt.
«Sie scheinen sich überhaupt nicht zu freuen.»
«Ich bin ein bißchen müde.»
«Zu müde, um mit mir ein Bier trinken zu gehen?»
Morse wußte nicht recht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. «Irgendwann nächste Woche?»
«Nein. Heute. Gleich.»
«Tut mir leid, heute abend geht es nicht...»
«Warum nicht?»
«Weil ich in der Badewanne sitze.»
«Plätschern Sie mal ein bißchen...»
«Geht nicht, dann wird das Telefon naß.»
«Dann haben Sie neulich also nur heiße Luft abgelassen.»
«Nein, natürlich nicht. Ich helfe Ihnen gern. Worum geht’s denn?»
«Telefonisch kann ich das nicht sagen.»
«Ja, warum denn nicht?»
«Das werden Sie dann schon sehen.»
«Da komm ich nicht mehr mit.»
«Ich fahr jetzt mit dem Bus ins Zentrum. Wenn ich Glück hab, schaff ich das in zwanzig Minuten. Er hält vor Marks & Spencer, und von da geh ich zu Fuß die St. Giles’ hoch und auf einen Drink in die Bar vom Old Parsonage Hotel. Dort bleib ich eine halbe Stunde. Wenn Sie bis dahin nicht da sind, komm ich mit dem Taxi zu Ihnen. Okay?»
«Nein, das ist nicht okay. Sie wissen ja überhaupt nicht, wo ich wohne.»
«Netter Typ, Ihr Sergeant Lewis. Könnt mir gefallen...»
«Er hat Ihnen doch nicht etwa meine Adresse verraten?»
«Fragen Sie ihn doch...» Morse sah auf seine Armbanduhr. Es war fast halb neun.
«Wenn Sie mir eine halbe Stunde geben...»
«Brauchen Sie nicht ein bißchen länger?»
«Wieso?»
«Sie müssen sich doch abtrocknen und anziehen und Ihre Brieftasche suchen und mit dem Bus...»
«Also schön — eine Dreiviertelstunde», fuhr Morse dazwischen und fragte sich tatsächlich, wo seine Brieftasche sein mochte, denn wenn er mit Lewis zusammen war, brauchte er sie ja nur recht selten.
Zehn Minuten nachdem Morse seine Wohnung verlassen hatte, rief Lewis noch einmal an. Da Morse sich nicht meldete, steckte
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