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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Glas.
    «Soll ich eine Schachtel Zigaretten holen, Inspector?»
    Auch Morse trank aus. «Ja.»
    Während sie weg war (denn er hatte keine Anstalten gemacht, ihr den Gang abzunehmen), lehnte Morse sich zurück und überlegte, was Ellie Smith ihm eigentlich sagen — oder vor ihm verbergen — wollte. Sie hatte genau so argumentiert wie er Lewis gegenüber, nur hatte sie das Argument besser vorgetragen.
    «Und jetzt die zweite Sache», sagte sie, als die Gläser nachgeschenkt und die Zigaretten angezündet waren. «Ich wollte Sie um einen Gefallen bitten. Sie wissen ja, daß wir heiraten wollen, Ashley und ich. Standesamtlich. Und nun wollte ich Sie fragen... Würden Sie unser Trauzeuge sein?»
    «Warum ich?»
    «Weil... ich stell’s mir einfach nett vor, Sie dabeizuhaben. Sie und Mum. Ich würd mich freuen, das ist alles.»
    «Und wann soll die Hochzeit sein?»
    «Gott, Hochzeit klingt so hochgestochen. Es geht ganz einfach zu, keine Brautjungfern, kein Brautstrauß, und hoffentlich nicht zuviel Scheißkonfetti.»
    Morse nickte väterlich-verständnisvoll.
    «Nicht das ganze Tamtam, das Sie wahrscheinlich bei der Hochzeit hatten», sagte sie.
    Morse sah nun seinerseits auf den Teppich, dann hob er den Kopf. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag: Am liebsten hätte er seine Hand ausgestreckt und ihre berührt.
    «Wie kommen Sie nach Hause, Ellie?»

    Im Taxi («Erst in die Iffley Road, dann weiter zur Banbury Road», hatte Morse den Fahrer instruiert) verflocht Ellie ihre Finger mit seinen, und Morse war gerührt und verunsichert und sehr zärtlich gestimmt.
    «Haben Sie das Aquarell gesehen? Das über unserem Tisch gehangen hat?»
    «Nein.»
    «Ein wunderschönes Bild. Felder und Schafe und Wolken. Die Wolken waren oben weiß und in der Mitte heller und unten dunkelgrau. So wie Wolken in Wirklichkeit auch sind.»
    «Tatsächlich?» Morse hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie bewußt eine Wolke angesehen.
    «Es ist nur... ich wollt nur sagen... Schön war’s mit Ihnen. Irgendwie hab ich das Gefühl gehabt, als wenn ich auch auf so ‘ner Wolke hocke.»
    Als das Taxi sie abgesetzt hatte und von East Oxford nach North Oxford fuhr, dachte Morse, daß auch er heute abend fast «auf so ‘ner Wolke» gehockt hatte.
    In seiner Wohnung besah er sich eingehend das einzige Aquarell, das er besaß. Die Wolken waren genau so gemalt, wie Ellie Smith gesagt hatte. Leicht melancholisch nickte er vor sich hin.

51

    Lirum, larum, sei gescheit:
    Bald gefreit hat noch jeden gereut.
    (Altes Kinderlied)

    Nachdem Mrs. Stevens am Dienstag, dem 20. September, um 10.35 Uhr das Sprechzimmer ihres Arztes betreten hatte, griff Brenda Brooks in der Wartezone des Churchill Hospital nach einer erstaunlicherweise relativ neuen Nummer von Good Housekeeping und blätterte die Hochglanzseiten durch, konnte sich aber nicht recht konzentrieren.
    Brenda hatte Freude an den einfachen Dingen des Lebens. Andere Menschen wünschten sich Macht oder Reichtum oder Wissen, sie aber fand ihr Glück in Ordnung und Sauberkeit. Wenn die Müllmänner ihre schwarzen Plastiksäcke abholten und in die gelben Müllwagen warfen, wo sie auf Nimmerwiedersehen verschwanden, kam sie sich immer vor wie Bunyans Pilger, der endlich seiner Sündenlast ledig ist.
    Sie selbst produzierte wenig Müll, aber es gab eben doch immer was zum Wegwerfen: Kohlblätter, leere Konservendosen, Zigarettenstummel aus den Aschenbechern ihres Mannes. Ja, es war eine Lust, die schwarzen Säcke verschwinden zu sehen. Man konnte fast alles in sie hineinstecken: blutige Hemden, Schuhe, Hosen beispielsweise. Und was sonst noch anfiel...
    Daneben gab es grüne Säcke für Gartenabfall, die einem die Stadt zum Preis von 50 Pence pro Stück verkaufte. Von diesen Säcken durfte jeder Haushalt pro Woche zwei vor die Tür stellen, aber der Garten im Hause Brooks war klein, so daß Brenda nur alle vierzehn Tage einen brauchte.
    Vor ein, zwei Jahren hatte Ted einen ganzen Stapel transparenter Plastiksäcke mitgebracht, die er links vom Rasenmäher gelagert hatte. Was er mit ihnen hatte anfangen wollen, blieb unklar, aber hin und wieder konnte man sie, weil sie so robust waren, zum Entsorgen von Ästen und Zweigen gebrauchen.
    Die meiste Freude hatte Brenda schon immer an Handarbeiten — am Stricken, Häkeln und Sticken — gehabt, und neuerdings war der Kurs für Tortendekoration dazugekommen. Allerdings hatte sie diese Kunst in letzter Zeit (wie wir wissen) nur noch unter Schmerzen ausüben

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