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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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können, um sie schließlich notgedrungen ganz aufzugeben.
    Zu einfacheren Handarbeiten mit Nadel und Faden aber war sie immer noch in der Lage. So hatte sie neulich — mit einem Lederhandschuh über der rechten Hand — die für ihren verstorbenen und unbetrauerten Ehemann bestimmten Behältnisse genäht. Nie hätte sie sich träumen lassen, daß sie sich in ihrem bescheidenen, ereignislosen Leben je Gedanken über die Beseitigung einer Leiche würde machen müssen. Aber Probleme — das hatte sie mal irgendwo gelesen — sind dazu da, gelöst zu werden. Und so hatte sie denn ihrem Mann diesen letzten Dienst erwiesen, den man allerdings keineswegs als Liebesdienst bezeichnen konnte. Eher das Gegenteil.
    Vor ein paar Monaten hatte sie zugesehen, wie Arbeiter einen zwanzig Zentimeter dicken und drei Meter langen Ast abgesägt hatten, weil er in ihre Straße hineinragte. Mit der Entsorgung hatten sie keine Last gehabt, sie hatten den Ast einfach in ihre Wundermaschine gesteckt, die ihn nach kurzem Jaulen und Rattern in Form feiner Späne wieder ausgespuckt hatte.
    Die Proctor Memorial School verfügte über einen Heizungskessel. Da wären vermutlich am wenigsten Spuren geblieben, aber diese Art der Abfallbeseitigung hätte, wie Mrs. Stevens ihr erklärte, beträchtliche «logistische» Probleme mit sich gebracht, und so hatten sie, auch wenn Brenda nicht ganz verstand, was Julia Stevens damit meinte, von dieser Lösung abgesehen.
    Die Abfallentsorgungsanlage in Redbridge aber sei doch eine ziemlich sichere Sache, hatte Brenda gesagt. Sie war ganz in der Nähe, und niemand fragte danach, was man im Sack hatte — nicht wie damals, als sie und Ted durch den Zoll mußten und der Mann mit dem vielen Gold an seiner Mütze die Zigaretten entdeckt hatte... Nein, in Redbridge wurden keine Fragen gestellt. Man fuhr einfach rückwärts heran, machte den Kofferraum auf und warf seine Säcke auf einen großen Haufen. Irgendwann kam dann der Bulldozer und ließ alles, was sich da angesammelt hatte, in einer großen Grube verschwinden.
    Doch auch dieser Vorschlag fand keinen Anklang.
    Die festen Plastiksäcke hatten eine Größe von 70 mal 90 Zentimeter. Brenda hatte für ihr Behältnis drei verwendet, zwei unten aufgeschlitzt und alle drei mit einer Ahle und grüner Gartenschnur zusammengenäht. Diesen Vorgang hatte sie noch zweimal wiederholt, so daß sie nun insgesamt eine dreifache Hülle hatte.
    Wie später aus den Unterlagen hervorgehen sollte, war Edward Brooks zur Zeit seiner Ermordung 1,70 Meter groß und 65 Kilogramm schwer. Den Leichnam in das erste, das zweite und das dritte Leichentuch zu bugsieren, war zwar seelisch etwas belastend gewesen, hatte aber körperlich keine schwerwiegenden Folgen gehabt. Nicht für sie jedenfalls.
    Ein glücklicher Zufall wollte es, daß der alte braune Teppich, der seit über zwei Jahren zusammengerollt rechts vom Rasenmäher stand, ein Format von 1,80 mal 1,80 Meter hatte.
    Ideal.
    Mit einiger Mühe hatten sie die Leiche in diese zusätzliche Hülle gerollt und das Bündel an vier Stellen mit kräftiger Schnur zusammengezurrt. Das Paket wurde dadurch natürlich ein bißchen schwerer, sah aber sehr viel ordentlicher aus. Und Ordnung war, wie wir inzwischen wissen, für Brenda Brooks sehr wichtig — im Leben wie im Tod.
    Und damit war Edward Brooks bereit zum Abtransport.
    Man sollte meinen, daß so eine Erfahrung in der zarten Seele von Brenda Brooks unauslöschliche Spuren hinterlassen hätte; erstaunlicherweise aber war dem nicht so. Während sie entspannt Good Housekeeping durchblätterte, auf Mrs. Stevens wartete und an jenen Tag zurückdachte, lächelte sie sogar ein wenig. Nicht grausam, aber doch mit deutlicher Genugtuung.
    Zwei Stühle weiter hatte jemand eine leere Kartoffelchipstüte liegenlassen. Brenda stand auf und deponierte sie diskret im Papierkorb.
    Als Mrs. Stevens um 11.20 Uhr endlich aus dem Sprechzimmer kam, sah Brenda, daß ihre beste Freundin geweint hatte.

    Es war die letzte Frage gewesen:
    «Sie sagen, daß Sie Besuch aus Kalifornien erwarten?»
    «Ja. Ein Ehepaar. Kurz nach Weihnachten. Ich habe die beiden seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Mit der Frau bin ich zur Schule gegangen.»
    «Darf ich einen Vorschlag machen?» fragte der Arzt leise.
    Julia sah den hilflosen Kummer in den braunen Augen von Basil Shepstone. Und wußte, was er sagen würde.
    «Wenn es möglich wäre... könnten Sie Ihre Freunde bitten, ein bißchen früher zu kommen? Sagen wir, einen

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