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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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ausgefallen wäre.
    Weil aber Morse im Gegensatz zu Constable Carter ein alter Hase war, hatte er den Flußmeister beiseite genommen und sich rasch den Weg zur nächsten Toilette zeigen lassen, so daß er sich an diesem Sonntagvormittag nicht in die Themse, sondern in eine Kloschüssel in der Flußmeisterei erbrach.
    «Sie schätzen, daß er seit etwa zwei Wochen im Fluß ist», berichtete Lewis, als Morse wieder da war.
    «Paßt ja bestens», sagte Morse blaß, aber gefaßt.
    «Ist was, Sir?»
    «Wieso? Was soll denn sein?» blaffte Morse. Aber Lewis sah es ihm nach.

56

    Ein Fracht- oder Flußschiffer konnte er nicht sein; wonach er Ausschau hielt, war nicht zu erkennen, aber er sah mit einem sehr intensiven und suchenden Blick um sich.
    (Chakles Dickens, Unser gemeinsamer Freund)

    Hatte es noch vor wenigen Minuten heftig in seinem Magen rumort, so herrschte jetzt Aufruhr in seinem Hirn, und er zwang sich, kurz noch einmal auf den nur halb verhüllten Toten herunterzusehen. Zwischen den Plastikschichten hatte sich Kondenswasser angesammelt, so daß man das Messer, das ihm im Rücken steckte, nur undeutlich erkennen konnte. Aber Morse faßte sich in Geduld. Er wußte, wie wichtig es war, nichts am Tatort zu berühren, und fand deshalb, daß Morrison eigentlich schon zu weit gegangen war.
    Der Fund blieb nunmehr unberührt, bis sich eine halbe Stunde später Dr. Laura Hobsons feuerroter Metro zu den anderen Fahrzeugen gesellte. Sie wechselte ein paar Worte mit Morse und widmete sich dann mit zarten Händen ihrer heiklen Aufgabe.
    Morse ging indes über einen Uferpfad bis zu dem siebzig Meter flußaufwärts gelegenen Falcon Rowing Club. Dort blieb er stehen, sah sich um, überlegte einen Augenblick und ging zur Rampe zurück.
    Er nahm den Flußmeister beiseite und stellte ihm ein paar gezielte Fragen. Wo konnte die Leiche ins Wasser gelangt sein? Wie konnte man die Leiche an die bewußte Stelle geschafft haben? In welche Richtung und wie weit konnte die Leiche von der Strömung getragen worden sein?
    Sein Gesprächspartner erwies sich als klug und kompetent. Er betonte, wie wichtig es sei, bei derlei Überlegungen Jahreszeit, Wetterbedingungen, Wassertemperatur und Verkehrsdichte auf dem Fluß miteinzubeziehen, hielt Morse einen präzisen Kurzvortrag über Auftrieb und Schwimmfähigkeit und lieferte einige denkbare Lösungen.
    Höchstwahrscheinlich hatte die Strömung den Toten nicht sehr weit getragen. Mit etwas mehr Ballast wäre er für immer auf dem Grund des Flusses geblieben. Es war gut möglich, daß die Leiche am Falcon Rowing Club in den Fluß geworfen worden war, und fest stand, daß sie nicht gegen die von Nord nach Süd gehende Strömung getrieben war. Nach dieser Theorie hätte allerdings jemand das schwergewichtige Bündel eine lange Strecke tragen müssen. Da die Schranke vor der Rampe stets abgeschlossen war, konnte man mit dem Wagen an dieser Stelle nicht bis zum Fluß herunterfahren, geschweige denn rechts abbiegen und die Leiche erst sechzig, siebzig Meter stromaufwärts beseitigen.
    Es sei denn...
    Im Riverside Club gab es gut hundert Mitglieder, die auch Bootsbesitzer waren, die Rampe regelmäßig benutzten und einen Schlüssel zur Schranke hatten. Es kam, wie der Flußmeister einräumte, nicht selten vor, daß ein Bootseigner vergaß, die Schranke hinter sich zu schließen, oder sie absichtlich offenließ, weil er wußte, daß ein Bekannter dicht hinter ihm war. Wenn also die Schranke offengestanden hatte, war dieser Einwand hinfällig.
    «Wissen Sie, was ich getan hätte, Mr. Holmes, wenn ich hier eine Leiche hätte deponieren müssen?» Morse sah zur Donnington Bridge hoch, wo das Interesse der Bevölkerung ungeachtet des inzwischen um den Toten errichteten provisorischen Sichtschutzes womöglich noch lebhafter geworden war.
    «Das werden Sie mir gleich erzählen.»
    «Ich wäre nachts um zwei hergekommen und hätte sie von der Brücke geworfen.»
    «Hätte ganz schön geplatscht.»
    «Was aber niemand gehört hätte.»
    «Das stimmt nicht ganz, Inspector. Ein paar Leute sind immer da. Diebe... Liebespaare... Und die Polizei.»
    «Oh», sagte Morse.
    Zwanzig Minuten später richtete sich die junge Pathologin wieder auf. Die unappetitliche Voruntersuchung war beendet.
    «Ich schätze, daß er zwischen ein und zwei Wochen im Wasser gelegen hat, genauer kann ich es nicht sagen, er ist erstaunlich gut erhalten. Liegt wohl an der sorgfältigen Verpackung. Aber das ermitteln wir später noch

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