Die Leichenstadt
aus, und an der Wand, die der Tür gegenüberlag, war er besonders intensiv. Von der Mauer war nicht mehr viel zu sehen, denn in ihr befand sich ein eiförmiges großes Loch, das den Beginn eines langen Tunnels darstellen sollte, der mit grünem Nebel gefüllt war, und in dem Blitze zuckten.
Sie drangen von allen Seiten in den grünen Nebel hinein, zerteilten ihn und sorgten dafür, daß es zu einem unheimlich klingenden Brodeln und Kochen kam. Dazwischen war ein hohles Pfeifen zu hören, als würde Wind um die Hausecken heulen.
Und Suko sah noch etwas.
Zwei Gestalten.
Sie standen innerhalb des Tunnels, hatten sich an den Händen gefaßt und warteten.
Das Ehepaar Moore aus Darkwater!
Die beiden sahen so nah aus, aber Suko wußte, daß sie unendlich weit entfernt waren, vielleicht sogar Lichtjahre, doch durch die Dimensionsverschiebung waren sie in die optische Nähe gerückt. Jennifer hatte sie natürlich auch gesehen. Und sie war von dem Anblick gefangengenommen worden. Die Arme hatte sie ausgestreckt, ihr Haar wurde in die Höhe gewirbelt, das weiße Nachthemd schien an ihrem Körper zu kleben, und das grüne Licht hüllte sie ein wie ein zu großer Mantel.
»Daddy, Mummy, ich komme!«
Dünn klang ihre Stimme, und sie wurde von einem Brausen übertönt, als ein Sturmwind, aus der Unendlichkeit kommend, in das ehemalige Spielkellerzimmer fiel.
Erst jetzt sah Suko auch die Schwester. Sie stemmte sich gegen den Sturm, wollte zurück, aber da waren die unsichtbaren, gierigen Hände, die sie plötzlich packten und zu Boden schleuderten. Die Schwester schrie.
Sie breitete Arme und Beine aus, wollte sich abstemmen, aber sie schaffte es nicht, gegen diesen Sturm und dessen nicht kontrollierbare Kräfte anzukommen.
Schwester Bonifatia wurde auf das unheimliche Dimensionstor zugerissen!
Das Kind oder die Schwester!
Wen sollte Suko zuerst retten, um wen mußte er sich kümmern? Wer war wichtiger? Lebensentscheidende Fragen, auf die er eine Antwort geben mußte, aber keine Zeit mehr fand, um darüber nachzudenken. Da wurde die Schwester herumgeschleudert. Der gewaltige Sturm traf sie jetzt von der Seite. Es schien so, als wollte er sie hochheben und schleuderte sie statt dessen herum. Auf dem Rücken blieb sie liegen. Suko schaute in ein verzerrtes Gesicht, in dem sich alle Qualen widerspiegelten, die diese Frau in den entscheidenden Momenten empfand.
Der Inspektor stürzte vor. Er hechtete dabei auf die Frau zu, streckte seine Arme aus, um die Füße der Schwester zu umklammern, als ein gewaltiger Sog aus diesem Schlund herauswirbelte und die Schwester zu packen bekam. Er erfaßte auch das kleine Mädchen, das sich seltsamerweise widerstandsfähig dagegen zeigte und nur von dem Wind umtost und umheult wurde.
Suko griff ins Leere.
Auch er merkte den Sturm. Das Heulen wollte seine Trommelfelle sprengen, er öffnete den Mund, holte keuchend Luft und bemerkte dabei die Hitze, die der Schlund zusätzlich ausstrahlte. Die Schwester überrollte sich, schlug um sich, schrie und geriet immer näher an die gefährliche, alles verschlingende Nähe der unheimlichen Öffnung.
»Schwester!« brüllte Suko so laut, daß sich seine Stimme fast überschlug und er daran erstickte.
Sein Schrei ging in dem der Frau unter. Aber Suko gab sich nicht geschlagen. Obwohl der unheimliche Sog an ihm riß und zerrte, stemmte er sich in die Höhe. Auf den Knien blieb er. Der Sog rüttelte an ihm, das Grauen war da, und seiner Gewalt konnte kein Mensch etwas entgegensetzen.
Aber Suko kämpfte!
Nicht umsonst besaß er die immensen körperlichen Kräfte, die er nun einsetzte. Vielleicht war es die Gewißheit, endgültig verloren zu haben, wenn es den Kräften aus der anderen Dimension gelang, sie zu schlingen, und so mobilisierte er seine letzten Reserven. Er mußte es packen.
Wieder warf er sich vor, geriet näher an die unheimliche Öffnung und auch näher an die Schwester. Seine griffbereiten Hände bekamen einen Rockzipfel zu packen, Suko drehte sein Gelenk, so daß er den Stoff fester zwischen die Finger klemmen konnte.
Jetzt besaß er mehr Halt. Und er zog.
Kraft gegen Kraft - menschliche gegen dämonische. Wer würde zuletzt den Sieg davontragen? »Mummy, Daddy!«
Durch das Heulen des dämonischen Sturms vernahm Suko die Stimme des Mädchens. Er hob trotz seiner Schwierigkeiten den Kopf und schaute in die unheimliche Öffnung.
Aus dem Nebel winkten sie ihrem Kind zu.
Es war eine lockende Bewegung, die Jennifer sehr wohl
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