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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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solange dein Mann auf Dienstreise ist.«
    Woher weiß er, daß Serjosha nicht in Moskau ist? Ich habe ihm nichts davon gesagt. Oder doch? Auf jeden Fall übertreibt er,
     dachte Lena, oder er hat sich so in seine Rolle eingelebt, daß er gar nicht mehr heraus kann.
    »Nein, Wenja, heute geht es nicht«, sagte sie laut. »Das wäre unpassend. Michael ist mein Gast, und außerdem …«
    Ich muß ihm sagen, daß wir heute nacht abreisen. Er darf mich nicht bei einer Lüge erwischen. Ich kann nicht still und heimlich
     verschwinden, und überhaupt, wie lange kann ich ihn noch an der Nase herumführen? Ich sage einfach, wir fliegen nach Sibirien.
     Sibirien ist groß, Hauptsache, ich erwähne Tobolsk nicht. Aber vielleicht weiß er es schon? Das alles huschte ihr durch den
     Kopf, während ein geschniegelter Kellner sie an einen runden Tisch führte, der mit einer rosa Tischdecke und Silberbesteck
     gedeckt war.
    »Ich sehe nirgends neue Russen«, bemerkte Michael und musterte den kleinen Speisesaal.
    Der Saal war tatsächlich völlig leer. Ein Fernseher lief, in einer Ecke schimmerten die lackierten weißen Flanken eines Flügels.
     An den rosafarbenen Wänden hingen moderne abstrakte Gemälde in schweren antiken Rahmen.
    »Die tauchen schon noch auf«, versprach Wolkow.
    Der Kellner zündete die Kerzen auf dem Tisch an, breitete eine rosafarbene leinene Serviette auf Lenas Knien aus und verteilte
     die riesigen, in teures Leder eingebundenen Speise- und Weinkarten.
    »Oh, hier steht ja alles auch auf Englisch«, rief Michael erfreut, »jede Menge vegetarische Gerichte. Und die Preise sind
     in Dollar angegeben. Ich hoffe, hier nimmt man Kreditkarten? Ich möchte Sie beide gern zum Essen einladen.«
    »Sag ihm, daß ich hier der Gastgeber bin«, bat Wolkow. »Bestellen kann er selber. Die Kellner sprechen Englisch.«
    »Wieder bewirtest du uns alle, wie damals in Tobolsk«, sagte Lena leise.
    »Erinnerst du dich denn noch an Tobolsk?« fragte er und sah ihr starr in die Augen.
    »Dunkel. Es ist ja schon so viele Jahre her.«
    Sie unterhielten sich halblaut und nutzten die Gelegenheit, daß Michael wie gebannt auf den Fernseher starrte, wo nicht mehr
     ganz junge Dörfler gezeigt wurden, die zu den Klängen einer Ziehharmonika das Tanzbein schwangen.
    »Wie hast du all diese Jahre gelebt? Ist der Milizionär dein erster Mann?«
    »Der dritte. Aber die ersten beiden zählen nicht.«
    »Und der Oberst zählt?«
    »Genauso wie deine Frau«, sagte Lena achselzuckend. »Weißt du, ich hatte noch nie im Leben eine Affäre mit einem verheirateten
     Mann. Ich war immer der Meinung, das sei schlimmer als zu stehlen. Auch jetzt habe ich Angst. Vorgestern hat jemand in die
     Tüte, die an Lisas Kinderwagen hing, einen Sprengsatz geworfen. Wir sind wie durch ein Wunder am Leben geblieben. Und gestern
     nacht hat jemand versucht, meine Wohnungstür zu öffnen. Michael hat das Knirschen im Schlüsselloch gehört. Mein Nachbar, der
     zu dieser Zeit mit seinem Hund nach draußen ging, hat eine große Frau in einem dunklen Mantel gesehen. Sie wartete um zwei
     Uhr nachts in unserem Stock auf den Lift.«
    »Vielleicht hat das etwas mit der Arbeit deines Mannes zu tun?« fragte er kaum hörbar, trank gierig einen Schluck Mineralwasser,
     stellte das Glas wieder auf den Tisch zurück und warf dabei versehentlich die Gabel herunter. »Wie konnte er dich überhaupt
     allein lassen? Ich an seiner Stelle hätte …«
    »Das hat erst angefangen, als er schon nicht mehr in Moskau war.«
    »Hast du ihm am Telefon erzählt, was passiert ist?«
    »Nein. Wenn es mit seiner Arbeit zusammenhängt, dannwird die Gefahr durch seine Rückkehr nur noch größer. Er wird fieberhaft nach den Verbrechern suchen, die werden ihrerseits
     auch nicht untätig bleiben … Es ist furchtbar, Wenja, wenn der Kinderwagen, in dem eine Minute später dein Kind gesessen hätte,
     explodiert. Ich habe gar nicht die Absicht, irgend etwas aufzuklären. Ich will so etwas nur nicht noch einmal erleben, ich
     kann nicht in ständiger Anspannung und Furcht leben.« Sie blickte ihm in die Augen. »Bist du sicher, daß deine Frau nichts
     weiß?«
    »Dir und deinem Kind wird nichts mehr geschehen«, sagte er fest und berührte mit seinen heißen Fingern ihre Hand, »du brauchst
     keine Angst zu haben.«
    Der Kellner erschien. Michael riß sich vom Fernseher los und beäugte eingehend die mit Eis eingefaßten und verschwenderisch
     mit schwarzem und rotem Kaviar, Lachs,

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