Die leichten Schritte des Wahnsinns
getrennt gebaut?« wollte Lena wissen. »Zusammen, das
ist doch unpraktisch.«
»Das ist ja auch keine öffentliche Banja, sondern eine für die Partei«, erklärte Sina würdevoll, »hierher kommen die Chefs,
nicht das einfache Volk.«
»Und die Chefs sind geschlechtslose Wesen?« Olga kicherte.
»Also hier sind gewöhnlich nur Männer«, die Banja-Angestelltezuckte verwirrt ihre molligen Schultern, »und wenn die noch Mädchen mitbringen, dann solche, die nicht zimperlich sind.«
»Sieh mal an«, Olga stieß einen Pfiff aus, »das ist hier wohl so eine Art Puff?«
»Was heißt hier Puff? Unsere Gäste sind solide Leute, alles Parteimitglieder. Von der Stadtverwaltung und vom Kreis, oder
wenn irgendeine Kommission kommt, sie besuchen alle unsere Banja. Ein echter Russe braucht seine Banja!«
In Laken gehüllt, huschten Olga und Lena durch den Vorraum ins Dampfbad.
»Aber nicht so lange!« schrie ihnen Mitja nach. »Wir wollen auch noch rein.«
»Dieser Wolkow ist ein merkwürdiger Typ«, sagte Lena, während sie Olga mit einem Gebinde aus duftenden Birkenreisern peitschte,
»er macht ein Trara um uns, als wären wir Parteibonzen, zieht ein Riesenprogramm durch und läßt uns nicht eine Minute allein,
wie eine Amme ihre Kinder.«
»Was ist schlecht daran? Dafür müssen wir ihm doch dankbar sein. Hätte man uns beide in Moskau jemals in so eine Banja gelassen?
Hier ist es nicht dreckig wie in der Sanduny-Sauna oder in der auf der Krasnopresnenskaja, wo die Wände glitschig sind und
es nach Chlor stinkt und wo man sich sofort einen Fußpilz einfängt. Hier ist alles pieksauber, auf höchstem Niveau.«
»Natürlich bin ich ihm dankbar, aber trotzdem ist er merkwürdig. Heute nacht bin ich zum Rauchen auf die Plattform gegangen,
und er hat sich mit allerlei verworrenen Geständnissen an mich herangemacht.«
»Er ist eben scharf auf dich. Dem hängt die Zunge zum Hals raus, so scharf ist er. Alle diese Provinz-Komsomolzen fahren auf
Moskauer Mädchen ab.«
Als sie, in Laken eingehüllt und vom heißen Dampf wohligerschöpft, zu viert im Vorraum saßen und starken grünen Tee tranken, fragte Mitja plötzlich:
»Lena, weißt du noch, als wir im Zug waren, da ist Wenjamin so ein kleines Ding heruntergefallen, ein weißes Herzchen mit
einer Rose.«
»Stimmt«, nickte Lena erstaunt.
»Na also!« rief Mitja. »Das sag ich doch, du hast ein Herzchen am Hals getragen. Ich hab mich nicht geirrt!«
»Mitja, laß ihn doch in Ruhe!« sagte Olga mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Was kommst du uns dauernd mit deinem Herzchen?
Vielleicht ist es ein Talisman, den ihm eine Freundin geschenkt hat.«
»Mir ist völlig egal, wer was um den Hals trägt, ich will bloß, daß Lena mir bestätigt, daß ich das nicht geträumt habe«,
erklärte Mitja ungeduldig. »Wenjamin sagt nämlich, das hätte ich mir eingebildet.«
»Mitja, hör auf!« sagte Olga streng und fügte mit einem Blick auf Wolkows versteinertes, bleiches Gesicht hinzu: »Nehmen Sie
es ihm nicht übel, Wenja, manchmal ist er eine schreckliche Nervensäge.«
Nach der Banja, auf der Rückfahrt zum Hotel, lud Wolkow sie zu sich nach Hause ein.
»Geht ihr beide, du und Mitja«, flüsterte Lena Olga zu, »ich habe keine Lust.«
»Bist du verrückt geworden? Er lädt uns doch nur deinetwegen ein! So darfst du ihn nicht kränken«, flüsterte Olga zurück.
»Wie kommst du darauf?«
Wolkow ging hinter ihnen, war aber näher, als sie dachten.
»Lena, Olga hat recht. Ich muß Ihnen doch noch mein Bärenfell zeigen, sonst halten Sie mich für einen Aufschneider.«
Sie drehten sich um. Er blickte sie an und lächelte verwirrt und schuldbewußt.
Er wohnte allein in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Das solide vierstöckige Haus für die Komsomol- und Parteielite war gerade erst
fertiggestellt worden. In der Wohnung roch es nach Farbe und Tapetenkleister. Möbel gab es fast keine. In dem einen Zimmer
standen ein großer Schreibtisch und ein paar Stühle. In den Ecken stapelten sich Bücher. Im anderen Zimmer stand nur ein breiter,
niedriger Diwan, über den ordentlich eine karierte Wolldecke gebreitet war, und ein antiker Kleiderschrank. Auf dem Boden
vor dem Diwan lag das dicke, harte Fell eines Braunbären.
»Nicht übel!« stellte Olga anerkennend fest. »Sogar Glasaugen hat man ihm eingesetzt. Wenja, ist er ihnen nicht unheimlich?
Dieser Teddy guckt sie an, als wollte er sagen: Warum hast du mich getötet,
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