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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Palaste der Könige sein Sohn, in zartem Alter, den die Kaiserlichen einsingen und ohne Gnade enthaupteten? Wurden seine Gebeine nicht aus dem Grabe in der brennenden Stadt wieder ausgewühlt und wilden, ausgehungerten Bestien zum Fraße vorgeworfen? War es endlich nicht in dieser Provinz, wo hunderttausend alte Waffengefährten Wang’s binnen drei Tagen hingemordet wurden?
    Es erschien also wohl denkbar, daß der Philosoph nach der plötzlichen Veränderung aller Verhältnisse nach diesem Orte, an den ihn so viele persönliche Erinnerungen knüpften, gegangen sei. Von hier aus konnte er in wenig Stunden nach Shang-Haï zurückkehren, um seinen Freund…
    Deshalb also begab sich Kin-Fo zunächst nach Nan-King und gedachte, sich hier aufzuhalten. Fand er Wang auf, so konnte Alles mündlich geregelt und damit der eigenthümlichen und gewiß nicht angenehmen Lage ein Ende gemacht werden. Traf er jenen nicht, so wollte er seine Wanderung durch das Himmlische Reich weiter fortsetzen bis zu dem Tage, wo er nach Ablauf der vereinbarten Frist von seinem alten Lehrer und Freund gewiß nichts mehr zu fürchten haben würde.
    Begleitet von Craig und Fry und gefolgt von Sonn, begab sich Kin-Fo nach einem Hôtel in einem jener halb entvölkerten Quartiere, welche noch inmitten der Ruinen des weitaus größeren Theiles der Stadt vorhanden sind.
    »Ich reife unter dem Namen Ki-Nan, wandte sich Kin-Fo an seine Begleiter, und hoffe, daß mein wahrer Name unter keinerlei Vorwand jemals ausgesprochen werde.
    – Ki… begann Craig.
    – Nan, vollendete Fry.
    – Ki-Nan« wiederholte Soun noch einmal.
    Es leuchtet wohl ein, daß Kin-Fo, während er wegen der unangenehmen Folgen seiner unfreiwilligen Berühmtheit aus Sang-Haï entfloh, nicht Lust hatte von denselben unterwegs ebenso belästigt zu werden. Von der möglichen Anwesenheit des Philosophen in Nan-King erwähnte er Craig-Fry gegenüber kein Wort. Die ängstlichen Agenten hätten gewiß einen Luxus von Vorsichtsmaßregeln entfaltet, der zwar dem Werthe ihres Clienten entsprechen mochte, diesem selbst aber nur höchst lästig gewesen wäre. Und hätten sie eine Million in der Tasche geführt, unmöglich hätten sie auf einer Reise durch ein gefährlicheres Land größere Sorgfalt entwickeln können. Doch war es nicht auch eine Million, welche die »Hundertjährige« ihnen hier anvertraut hatte?
    Der ganze Tag verging mit dem Besuche der Quartiere, Plätze und Straßen Nan-Kings. Von der Pforte des Ostens bis zu der des Westens, von Süden bis Norden wurde die ihres früheren Glanzes beraubte Stadt schnell durchwandert. Kin-Fo schritt rüstig darauf zu, sprach nur wenig, hatte aber die Augen überall.
    Nirgends zeigte sich ein verdächtiges Gesicht, weder auf den Kanälen, wo sich die meisten Bewohner aufhielten, noch in den halb unter Trümmern begrabenen Alleestraßen, welche schon das Unkraut überwucherte. Kein Fremder war sichtbar, der unter dem geborstenen Marmorthore dahinwanderte, oder die Reste der verbrannten Mauern betrachtete, welche die Stelle des früheren kaiserlichen Palastes bezeichneten, den Schauplatz des letzten erbitterten Kampfes, an dem Wang seinerzeit jedenfalls bis zum Ende theilnahm. Kein Mensch suchte sich den Blicken der Besucher zu entziehen, weder in der Nähe des Yamen der katholischen Missionäre, welche die Bewohner von Nan-King im Jahre 1870 ermorden wollten, noch in der Umgebung der Waffenfabrik, die erst neuerdings wieder aus dem unzerstörbaren Material errichtet wurde, das der berühmte, von den Taï-Ping abgetragene Porzellanthurm in großer Menge geliefert hatte.
    Kin-Fo schien keine Ermüdung zu kennen. Noch immer ging er raschen Schrittes weiter, seine beiden Akolythen getreulich mit ihm, während der arme, an derlei Anstrengungen nicht gewöhnte Soun ein gutes Stück zurückblieb, zum östlichen Thore hinaus und geraden Weges fort in die Weite.
    Unfern von der Stadtmauer zeigte sich eine endlose Straße mit ungeheueren Thiergestalten zu beiden Seiten.
    Kin-Fo eilte womöglich noch schneller auf diese zu.
    Am entgegengesetzten Ausgang schloß ein kleiner Tempel dieselbe ab. Hinter letzterem erhob sich ein Grabmal, so groß wie ein Hügel. Unter dieser Anhöhe ruhte Rong-U, der frühere Bonze und spätere Kaiser, einer der kühnsten Patrioten, der vor fünf Jahrhunderten gegen die fremden Eindringlinge gefochten hatte. Sollte der Philosoph nicht hierher geirrt sein, sich an den glorreichen Erinnerungen des Ortes zu erlaben, nach diesem

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