Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
helfen oder doch mindestens gegenüber dem sanften Hingleiten des Schiffes mit den Schwankungen und Stößen der erbärmlichen Fuhrwerke vorlieb nehmen, die im Himmlischen Reiche in Gebrauch sind. Du armer Soun! Jetzt kam für Dich die Zeit der Qualen, der Anstrengungen und der Vorwürfe. Und wahrlich, es hätte Jeder zu thun gehabt, der Kin-Fo auf dieser abenteuerlichen Fahrt von Stadt zu Stadt, von Provinz zu Provinz gefolgt wäre. Heute z.B. reiste er mit einem Wagen, aber mit welch’ einem Wagen! Ein ohne Federn unmittelbar auf der Achse zwei roher, mit starken Eisennägeln beschlagener Räder befestigter harter Kasten, geschleppt von einigen widerspänstigen Maulthieren und überspannt mit einem Leinendache, durch das der Regen ebenso wie der Sonnenschein hindurchdrang. Morgen saß er in einem Maulesel-Tragsessel einer Art zwischen zwei langen Bambusstengeln aufgehängten Schilderhäuschen, welches bei jeder Bewegung so furchtbar rollte und stampfte, daß ein Schiff dabei in allen Fugen gekracht hätte. Zwei Adjutanten gleich, ritten dann Craig und Fry zu beiden Seiten dieses Fahrzeuges auf Eseln, welche womöglich noch regellosere Bewegungen und Sprünge machten als jenes. Ging dann der Marsch etwas schneller vor sich, so hinkte der arme Soun grollend und wetternd hinterdrein und stärkte sich mehr als nöthig mit einem tüchtigen Schluck guten Branntweins von Kao-Liang. Auch er verspürte ein erkleckliches Rollen und Schwanken, das indeß nicht den Unebenheiten des Bodens zuzuschreiben war. Mit einem Worte, die kleine Gesellschaft wäre auch auf stürmischem Meere nicht ärger durcheinander geschüttelt worden.
    Zu Pferde – natürlich waren es erbärmliche Klepper – hielten Kin-Fo und seine Begleiter ihren Einzug in Si-Gnan-Fu, der alten Hauptstadt des Reiches der Mitte, in der die Kaiser aus der Dynastie der Tang ehemals Hof hielten.
    Welche Strapazen und Gefahren kostete es aber, um diese entlegene Provinz Chen-Si zu erreichen und ihre endlosen dürren und nackten Ebenen zu durchziehen!

    Unter einer, der des südlichen Spaniens entsprechenden Breite sandte die Mai-Sonne ihre kaum erträglichen Strahlen herab, und wirbelte der seine Staub der Straßen auf, welche noch durch keine Steinschüttung verbessert waren. Aus den gelblichen, die Atmosphäre wie ein ungesunder Dunst erfüllenden Wolken kam der Wanderer grau heraus vom Kopfe bis zu den Füßen. Es war hier die Gegend des »Löß«, eine eigenartige geologische, im nördlicheren China vorherrschende Bodenformation, ein Gebilde, »das weder Erde noch Stein ist, oder richtiger ein Stein, der noch nicht Zeit gefunden hat, sich zu erhärten«. (Leon Rousset.)
    Auch die wirklichen Gefahren darf man nicht unterschätzen in einem Lande, wo die Polizei eine gewaltige Furcht vor den Dolchstichen der Räuber hat. Wenn die Tipaos den Spitzbuben schon in den Städten aus dem Wege gehen, wenn in bevölkerten Ortschaften die Einwohner es nicht wagen, des Nachts auf den Straßen zu erscheinen, so kann man sich daraus wohl ein Urtheil über den Grad der Sicherheit auf den Landstraßen bilden. Mehrmals zeigten sich auch verdächtige Gruppen, wenn die Reisenden sich in tiefen, durch die gewaltigen Löß-Schichten geschnittenen Hohlwegen befanden; noch immer verfehlte aber der Anblick der Revolver in den Händen Craig’s und, Fry’s auf die Wegelagerer nicht seine abschreckende Wirkung. Zuweilen freilich beschlich die Agenten der »Hundert jährigen« eine unheimliche Furcht, nicht wegen ihrer eigenen Person, wohl aber wegen der lebendigen Million, die sie escortirten. Ob Kin-Fo unter dem Dolche Wang’s fiel oder unter dem Messer eines Straßenräubers, kam ja völlig auf Eines hinaus. Jedenfalls traf der Stoß die Casse ihrer Gesellschaft.
    Wie die Verhältnisse jetzt lagen, hielt sich übrigens Kin-Fo, der reichlich mit Waffen versehen war, selbst jeden Augenblick zur Vertheidigung bereit. Das Leben galt ihm jetzt mehr als je, und er hätte, wie Craig und Fry sagten, »sich umbringen lassen, um es zu erhalten«.
    In Si-Gnan-Fu durfte man kaum darauf rechnen, eine Spur des Philosophen zu finden. Ein alter Taï-Ping konnte niemals auf den Gedanken kommen, hierher zu gehen. Die starken Mauern dieser Stadt vermochten die Rebellen nicht zu bezwingen, und auch heute barg dieselbe eine zahlreiche Besatzung von Mantschu-Truppen. Wenn er nicht eine besondere Liebhaberei für archäologische Curiositäten hatte, welche sich hier in großer Menge vorfinden, oder den

Weitere Kostenlose Bücher