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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nach ihm zu suchen. Vergeblich durchwanderten Kin-Fo, Craig und Fry die ausländischen Niederlassungen, die Bazars, die berüchtigten Quartiere und alle Umgebungen Shang-Haïs. Vergeblich spähten die gewandtesten Tipaos der Polizei überall umher. Der Philosoph blieb unentdeckt.
    Craig und Fry wurden mit der Zeit immer unruhiger und verdoppelten ihre Wachsamkeit. Sie verließen ihren Clienten weder am Tage noch in der Nacht, aßen mit ihm an demselben Tische und schliefen des Nachts mit ihm in seinem Zimmer. Sie suchten ihn auch zu überreden, ein Panzerhemd zu tragen, um gegen einen Dolchstich geschützt zu sein, und nichts zu essen als gekochte Eier, die doch nicht vergiftet sein konnten.
    Kin-Fo sorgte reichlich dafür, das Jene Bewegung hatten. Warum schloß man ihn auch nicht einfach in einen diebessicheren Behälter der »Hundertjährigen« unter dem Vorwande ein, daß er der Gesellschaft 200.000 Dollars werth war?
    Als praktischer Mann schlug William J. Bidulph seinem Clienten auch noch vor, ihm die gezahlte Prämie zurückzuerstatten und den Versicherungsschein zu vernichten.
    »Bedauere sehr, antwortete darauf Kin-Fo kurz, das Geschäft ist abgeschlossen und Sie werden die Consequenzen desselben tragen.
    – Gut, es sei, versetzte der General-Agent, sich in das Unvermeidliche fügend, es sei! Sie haben Recht! Aber Sie werden in Ihrem Leben nicht sorgfältiger bewacht werden als durch uns!
    – Und niemals billiger!« meinte Kin-Fo.
Elftes Capitel.
In dem Kin-Fo zum berühmtesten Manne im ganzen Reiche der Mitte wird.
    Wang war und blieb verschwunden. Kin-Fo wurde allmälich wüthend, zur Unthätigkeit verdammt zu sein und den Philosophen nicht einmal verfolgen zu können. Doch wie wäre das möglich gewesen, da Wang davongegangen war, ohne nur eine Spur zu hinterlassen!
    Diese Complication verursachte selbstverständlich auch dem General-Agenten der »Hundertjährigen« eine gewisse Unruhe. Nachdem er sich zuerst gesagt, daß alles das nicht ernst gemeint sei, daß Wang sein Versprechen nicht erfüllen werde, daß man selbst in dem excentrischen Amerika nicht solchen Unsinn treibe, kam er allmälich auf den Gedanken, daß in diesem eigenartigen Lande, welches man das Himmlische Reich nennt, eben nichts unmöglich zu nennen sei. Er bekannte sich bald zu Kin-Fo’s Anschauung, daß der Philosoph, wenn es nicht gelang, ihn aufzufinden, gewiß sein Wort einlösen werde. Auch sein Verschwinden deutete man sich dahin, daß er zur That dann verschreiten werde, wenn sein Schüler es am wenigsten erwartete, daß er ihn treffen wolle wie ein Blitzschlag, und ihm mit rascher und sicherer Hand den Tod geben werde. Nachdem er dann den Brief an dem Körper seines Opfers befestigt, werde er sich ruhig und furchtlos in dem Bureau der »Hundertjährigen« einstellen, um das ihm zufallende Capital zu beanspruchen.
    Man mußte also Wang zuvorkommen und ihn womöglich aufklären, obwohl das auf derartigem Wege unthunlich war.
    Der ehrenwerthe William J. Bidulph ergriff also das Auskunftsmittel, sein Ziel durch die öffentliche Presse zu erreichen. Binnen wenig Tagen erhielten die chinesischen Zeitungen Nachricht über die Sache, während die fremden Journale der Alten und Neuen Welt durch Telegramme dafür interessirt wurden.
    Der »Tching-Pao«, das Regierungsorgan für Peking, die in chinesischer Sprache erscheinenden Blätter von Shang-Haï und Hong-Kong, sowie die verbreitetsten Journale Europas, Nord-und Südamerikas druckten bald in fetter Schrift folgenden Aufruf ab:
    »Herr Wang aus Shang-Haï wird hiermit ersucht, das zwischen ihm und Herrn Kin-Fo am 2. Mai d.J. getroffene Uebereinkommen als nicht geschehen zu betrachten, da genannter Herr Kin-Fo nur noch den einen Wunsch hat, womöglich als Hundertjähriger zu sterben.«
    Dieser eigenthümlichen Annonce folgte noch eine, jedenfalls Aufmerksamkeit erregende Nachschrift:
    »Zweitausend Dollars oder eintausenddreihundert Taëls Belohnung erhält Derjenige, der William J. Bidulph, dem General-Agenten der »Hundertjährigen« in Shang-Haï, den Aufenthalt des genannten Herrn Wang aus derselben Stadt so mittheilt, daß Letzterer gefunden wird.«
    Es war ja nicht wohl anzunehmen, daß der Philosoph während der ihm zur Erfüllung seines Versprechens gegebenen Frist von fünfundfünzig Tagen eine Reise um die Welt ausführen könne. Wahrscheinlich hielt er sich in der Umgebung Shang-Haïs verborgen, um jede sich bietende Gelegenheit benützen zu können; der ehrenwerthe

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