Die Leiden eines Chinesen in China
des Peï-Ho und des Kaiserkanals gebildeten Hafen durch die Einfuhr von Baumwollenwaaren aus Manchester, von Wollenstoffen, Kupfer, Eisen, Zündhölzchen aus Deutschland, Sandelholz u.s.w. und durch die Ausfuhr von Brustbeeren, Wasserlilien-Blättern, tatarischem Tabak u.s.w. ein Waarenumsatz von 160 Millionen jährlich stattfindet; Kin-Fo kam es aber nicht einmal in den Sinn, in dem merkwürdigen Tsien-Tsin die berühmte Pagode der höllischen Verdammten zu besuchen; er durchstreifte nicht die interessanten Straßen der »Laternen« und der »Alten Kleider« in der östlichen Vorstadt, er frühstückte in dem Restaurant der »Harmonie und, Freundschaft«, das der Muselman Leu-Lao-Ki bewirthschaftet, und dessen Weine sich des besten Rufes erfreuen, was auch Mohammed darüber denken mag; er gab auch – und das aus guten Gründen – seine große rothe Visitenkarte nicht ab im Palaste Liu-Tchong-Tang’s, dem Vicekönige der Provinz seit 1870, Mitgliede des Geheimen Rathes und des Großen Staatsrathes des Reiches, der nebst der gelben Weste den Titel eines Fei-Tse-Chao-Pao führt.
Nein! Kin-Fo durchfuhr, immer von Soun geschoben, die Quais, wo ganze Berge von Säcken mit Salz lagerten; die Vorstädte, die englischen und amerikanischen Territorien, das Rennfeld, die mit Sorgho, Gerste, Sesam und Weinstöcken bedeckte Landschaft, die reichen Gemüse-und Fruchtgärten und die weiten Ebenen, welche Tausende von Hafen, Rebhühnern und Wachteln liefern, die man durch abgerichtete Falken, meist Lerchen-oder Baumfalken, einfängt. Alle Vier folgten nun der vierundzwanzig Meilen langen, mit Quadersteinen belegten Straße nach Peking, zwischen Baumgruppen der verschiedensten Art und dem hohen Schilfe des, Flusses, und gelangten so nach Tchong-Tcheu, Alle heil und gesund, Kin-Fo noch immer im Werthe von 200.000 Dollars, Craig und Fry frisch und munter wie im Beginn der Reise, Soun keuchend, hinkend, auf beiden Beinen verschlagen und nur mit drei Zoll Zopf auf dem Scheitel.
Jetzt war der 19. Juni. In sieben Tagen ging die mit Wang vereinbarte Frist zu Ende!
Wo verbarg sich aber dieser Wang?
Fußnoten
1 Im südlichen China bezeichnet man Ströme und Flüsse durch die Endsilbe »Kiang« im nördlichen China durch die Endsilbe »Ro«.
Dreizehntes Capitel.
In welchem man die berühmte Posse »Von den fünf Wachen des Hundertjährigen« mit anhört.
»Meine Herren, redete Kin-Fo seine beiden Leibwächter an, als der Karren am Eingange der Vorstadt von Tchong-Tcheu anhielt, wir befinden uns nur noch vierzig Li (2 1 / 2 geographische Meilen) von Peking entfernt, und es ist meine Absicht, hier zu bleiben, bis die rechtliche Wirkung der zwischen mir und Wang getroffenen Vereinbarung erlischt. In dieser Stadt von viermalhunderttausend Seelen wird es leicht sein, unerkannt zu wohnen, wenn Soun nicht vergißt, daß er im Dienste Ki-Nan’s, eines einfachen Händlers aus der Provinz Chen-Si steht.«
Nein, sicherlich Soun würde das nicht vergessen! Seine Ungeschicktheit hatte ihn während der letzten acht Tage zu Pferdediensten erniedrigt, und er hoffte, daß Herr Kin-Fo…
»Ki… sagte Craig.
– Nan!« setzte Fry hinzu.
… ihn nicht ferner seiner eigentlichen Beschäftigung fernhalten werde. Jetzt, bei seiner Kraftlosigkeit ohne Gleichen, erbat er nur die Erlaubniß von Herrn Kin-Fo…
»Ki… sagte Craig.
– »Nan!« wiederholte Fry.
… die Erlaubniß, achtundvierzig Stunden in einem Strich auszuschlafen.
»Meinetwegen acht Tage lang! antwortete Kin-Fo auf seine Rede. Wenn Du schläfst, bin ich wenigstens vor Deinem Schwatzen sicher.«
In dieser Equipage erschien Kin-Fo. (S. 110.)
Kin-Fo und seine Begleiter ließen es sich angelegen sein, ein passendes Hôtel zu suchen, woran es in Tong-Tcheu nicht mangelte. Diese ungeheuere Stadt bildet im Grunde nur einen Vorort von Peking. Die Alleestraße, welche sie mit der Hauptstadt verbindet, ist in ihrer ganzen Ausdehnung mit Villen, Häusern, Gehöften, Gräbern, kleinen Pagoden und lachenden Baumgruppen geschmückt, und es herrscht auf derselben von Wagen, Reitern und Fußgängern ein unaufhörlicher, lebhafter Verkehr!
Kin-Fo kannte die Stadt schon und ließ sich nach dem, Tae-Uang-Mia«, das ist der Tempel der unabhängigen Fürsten, geleiten. Dieser besteht aus einer zum Hôtel umgewandelten Bonzerie, wo jetzt Fremde ein sehr behagliches Unterkommen finden.
Kin-Fo, Craig und Fry richteten sich sogleich häuslich ein, die beiden Agenten natürlich in einem,
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