Die Leiden eines Chinesen in China
Zufriedenheit ist.
Hier waren es Feldarbeiter, die sich über die Furchen bückten; dort Andere, welche singend ihr Tagewerk vollbrachten. Verschuldete nicht der Mangel an Arbeit allein bei Kin-Fo die Unempfindlichkeit für jedes Vergnügen? O, diese Lection war eine gründliche! Er glaubte es wenigstens…. Nein, Freund Kin-Fo, sie war es nicht!
Craig und Fry durchsuchten die ganze Ortschaft, klopften an jede Thür und entdeckten wirklich zuletzt eine Art Fuhrwerk, aber nur ein einziges. Auf demselben fand ferner nur eine Person Platz und, was das Schlimmste war, ein Zugthier dazu gab es nicht.
Das Gefährt bestand aus einem Handwagen – einer Art Pascal’schen Schiebkarren – der vielleicht schon lange vor genanntem Gelehrten von den alten Erfindern des Pulvers, der Schrift, des Compasses und der Drachen gebaut wurde. In China ist das, übrigens ziemlich große Rad dieses Fortschaffungsmittels aber nicht wie bei uns zwischen zwei nach der einen Seite zu vorspringenden Armen, sondern in der Mitte angebracht und bewegt sich also innerhalb des Kastens selbst, wie das Centralrad mancher Dampfboote. Der eigentliche Behälter des Gesäyrtes ist also seiner Längsrichtung nach in zwei Abtheilungen getrennt, in deren einer der Reisende Platz nehmen kann, während die andere zur Aufnahme des Gepäckes dient.
Der Motor dieses Wagens ist und kann nur ein Mensch sein, der ihn nicht zieht, sondern vorwärts schiebt. Er hat seinen Platz also hinter dem Fahrenden, dem er die Aussicht nicht versperrt, ähnlich wie der Kutscher eines englischen Cab. Bei günstigem Winde, d.h. wenn dieser von rückwärts weht, benützt der Mann die Naturkraft, die ihm nichts kostet. Er stellt vorn im Wagenkasten einen kleinen Mast auf, hißt an demselben ein viereckiges Segel und wird bei kräftigem Winde, statt den Wagen zu schieben, von diesem mit fortgezogen, oft schneller, als ihm lieb ist.
Das Gefährt nebst allem Zubehör wurde käuflich erworben. Kin-Fo nahm darin Platz. Der Wind blies günstig, das Segel ward entfaltet.
»Nun vorwärts, Soun!« rief Kin-Fo.
Soun beeilte sich, ganz behaglich in der zweiten Abtheilung des Wagens Platz zu nehmen.
»An die Deichsel! donnerte ihn da Kin-Fo in einem Tone an, der jeden Widerspruch von vornherein abschnitt.
– Aber, Herr, wie… wir… ich!… jammerte Soun, dessen Beine sich schon im voraus krümmten wie die eines überangestrengten Gaules.
– Dafür klage Dich selbst, Deine Zunge und Deine Dummheit an!
– Nun vorwärts, Soun! drängten auch Craig-Fry.
– An die Deichsel! wiederholte Kin-Fo mit einem spähenden Blick nach dem erbärmlichen Reste des Zopfes. An die Deichsel, Dummkopf, und hüte Dich, zu stolpern, sonst…«
Der Zeige-und Mittelfinger Kin-Fo’s, die sich wie zwei Scheerenblätter bewegten, ließen über diese Drohung keinen Zweifel übrig, so daß Soun schleunigst den Tragriemen über die Schultern warf und die Handhaben des Karrens ergriff. Fry und Craig begaben sich jeder nach einer Seite des Gefährtes, und mit Unterstützung des günstigen Windes trottete die kleine Gesellschaft in leichtem Trabe ab.
Wir verzichten auf die Schilderung der stillen, ohnmächtigen Wuth Soun’s, als er sich zum Zugthier degradirt sah. Craig und Fry waren jedoch menschenfreundlich genug, ihn zeitweilig abzulösen. Zum Glück unterstützte sie der Südwind ohne Unterbrechung und verrichtete drei Viertel der Arbeit. Da der Karren durch das in der Mitte angebrachte Rad sehr leicht im Gleichgewichte zu halten war, so beschränkte sich die Thätigkeit des Führers etwa auf die des Steuermannes auf einem Schiffe, das heißt, er hatte nur auf Einhaltung seiner Richtung zu achten.
In dieser Equipage erschien Kin-Fo also in den nördlichen Provinzen Chinas, marschirend, wenn er die halb steif gewordenen Beine einmal üben, oder gefahren, wenn er ausruhen wollte.
So zog Kin-Fo, unter Umgebung von Huan-Fu und Cafong, hinauf am Ufer des berühmten Kaiserkanals, der noch vor kaum zwanzig Jahren, bevor der Gelbe Fluß sein altes Bett wieder aufsuchte, von Su-Tcheu, dem Lande des Thees, bis Peking auf eine Entfernung von mehreren hundert Meilen eine bequeme Wasserstraße bildete.
So reiste er durch Tsinan, Ho-Kien und gelangte in die Provinz Pe-Tche-Li, in der sich Peking, die vierfache Haupstadt des Himmlischen Reiches erhebt.
So kam er durch das von einer Mauer und zwei Forts vertheidigte Tsien-Tsin, eine Stadt von viermalhunderttausend Seelen, in deren geräumigen, durch die Vereinigung
Weitere Kostenlose Bücher