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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Kläger hatte auf die »Beschwerde-Trommel« geschlagen und begehrte die Entscheidung des Gerichtes. Auf dem Steine »Leu-Ping« kniete noch ein Verbrecher, der eben eine Tracht Hiebe erhalten und den Polizeisoldaten in rothknöpfiger Mantschumütze, ausgerüstet mit einem kurzen Spieße und zwei Säbeln in einer einzigen Scheide, bewachten. Weiterhin wurden einige widerspenstige Chinesen, die man mit ihren Zöpfen aneinandergebunden hatte, nach der Polizeiwache geschleppt. Ein armer Teufel, dessen linke Hand und rechter Faß in den Löchern eines Brettes befestigt waren, hinkte wie ein sonderbares Thier dahin. An einer anderen Stelle kauerte ein überwiesener Dieb in einem umgestürzten Kübel, durch dessen Boden nur der Kopf herausragte, der Mildthätigkeit der Vorübergehenden überlassen, ohne welche er Hungers sterben müßte, oder es keuchten Andere des Weges, mit dem Schandpfahl im Nacken, wie Ochsen unter dem Joche. Diese Unglücklichen suchten absichtlich belebtere Orte auf, indem sie, auf die Weichherzigkeit der Passanten speculirend, hier eine reichere Ernte von Almosen einzuheimsen hoffen durften, freilich nur zum Schaden der Bettler jeder Art, wie z.B. der Einarmigen, Hinkenden, Gelähmten, ganzer Reihen von Blinden, die ein Einäugiger führte, und der tausend Varietäten wahrer und falscher Gebrechlicher, die in den Städten des Reiches der Blumen umherwandern.
    Die Sänfte konnte also nur langsam vorwärts kommen. Das Straßengewühl nahm immer mehr zu, je mehr man sich dem Ende der Allee näherte. Endlich gelangte sie jedoch an’s Ziel und hielt innerhalb des Walles, der den Eingang zum Tempel der Göttin Koanine vertheidigt.
    Le-U verließ die Sänfte, trat in den Tempel und fiel zuerst auf die Kniee, worauf sie sich vor der Göttin zur Erde warf. Dann ging sie auf einen eigenthümlichen Apparat, eine sogenannte, Gebet-Mühle« zu.
    Diese besteht aus einer Art Haspel, deren acht Speichen am Ende kleine Papierrollen mit frommen Sprüchen tragen.
    Neben dem lächerlichen Apparate wartete ein Bonze in feierlichem Ernste, das Anliegen der Frommen und vorzüglich den dafür zu zahlenden Preis zu erfahren.
    Le-U händigte dem Diener Buddha’s einige Taëls ein, als Beitrag zu den Unkosten des Gottesdienstes; dann ergriff sie mit der rechten Hand die Kurbel der Haspel und setzte sie, die linke Hand auf dem Herzen, durch einen leisen Druck in Umdrehung. Offenbar bewegte sich die Mühle zu langsam, um der Wirksamkeit des Gebetes sicher zu sein.
    »Schneller!« mahnte sie der Bonze.
    Die junge Frau haspelte noch eiliger.
    Das mochte eine Viertelstunde währen, wonach der Bonze erklärte, die Gebete der Andächtigen würden Erhörung finden.
    Noch einmal sank Le-U vor der Statue der Göttin zur Erde, verließ hierauf den Tempel und bestieg wieder die Sänfte, um nach ihrer Wohnung zurückzukehren.

    Kaum in die Große Allee gelangt, mußten die Träger plötzlich zurück weichen. Rücksichtslos trieb eine Abtheilung Bewaffneter die Menschenmenge hinweg. Buden und Läden wurden geschlossen. Die einmündenden Seitenstraßen schloß man unter Aufsicht von Tipaos mittelst blauer Tapeten ab.
    Ein langer Zug erschien in der Allee und bewegte sich geräuschvoll vorwärts.
    Es war der Kaiser Koang-Sin, dessen Name so viel wie »die Fortsetzung des Ruhmes« bedeutet, der in seine Tatarenstadt zurückkehrte und vor dem sich das große Mittelthor der Verbotenen Stadt öffnen sollte.
    Hinter zwei vorausmarschirenden Soldaten kam eine Abtheilung Reiter, nach diesen ein Haufen Piqueurs in Doppelreihen mit einem Stocke im Bandelier.
    Nun folgte eine Gruppe hoher Officiere, den großen gelben flatternden Sonnenschirm tragend, der mit Drachenbildern, dem Embleme des Kaisers, geschmückt war, während ein Phönix das Sinnbild der Kaiserin ist.
    Hierauf kam der Palankin, dessen gelbseidene Gardinen zurückgeschlagen waren, getragen von sechzehn Mann in rothen Gewändern mit weißen Rosetten und in seidenen, gestickten Westen. Prinzen von Geblüt, hohe Würdenträger, deren Pferde Sättel und Schabracken von gelber Seide trugen, begleiteten das kaiserliche Gefährt.
    In dem Palankin saß halb liegend der Sohn des Himmels, der Vetter des früheren Kaisers Tong-Tche und Neffe des Prinzen Kong.
    Nach dem Palankin folgten noch Stallknechte und Träger zum Ablösen der anderen.
    Unter dem Thore Tiens verschwand endlich der ganze Zug zur Befriedigung der Spaziergänger ebenso, wie der Kaufleute und Bettler, welche nun ihre

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