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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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bedienen konnten. Doch meine Schwiegermutter erwartete von mir, dass ich den Pachtzins der Häuser in Toledo und anderen Dörfern in der Mancha eintrieb und das Pflanzen, die Ernte und den Verkauf der Erzeugnisse aus den Obstgärten und Weinbergen beaufsichtigte.
    Meine neu erworbenen Aufgaben als Familienvorstand hinderten mich daran, mich an den Schreibtisch zu setzen. Mein Traum von einem bukolischen Leben, in dem ich mich dem Schreiben widmete, erschien mir zunehmend wie eine weitere Schimäre. Zuerst erfüllte ich meine neue Pflichten, ohne mich zu beklagen. Ich hoffte, dass ich durch die Veröffentlichung von La Galatea zu Wohlstand kommen würde und dann jemanden anstellen könnte, der die Angelegenheiten der Familie überwachte. Beim Eintreiben des Pachtzinses, den Doña Catalinas Pächter in Toledo und den umgebenden Ortschaften ihr schuldeten, versagte ich kläglich. Von diesen Familien Geld zu erwirken war, als müsste man Milch aus einem Stein pressen. Es waren Menschen, die kaum genug zum Überleben hatten. Im besten Fall zahlten sie den Zins in Form von Hühnern, Eiern, ein paar Flaschen Wein oder Olivenöl oder – und das grenzte bereits an ein Wunder – einem Ferkel oder einem Zicklein.
    Bei meiner Rückkehr nach Esquivias in Begleitung einer Menagerie anstatt eines gefüllten Geldbeutels hielt Doña Catalina mit ihrem Missfallen über meine mangelnde Erfahrung im Umgang mit ihren Pächtern nicht hinter dem Berg. »Wenn diese Leute ihre Pacht nicht bezahlen können, Miguel, musst du sie auf die Straße setzen. Notfalls mit Gewalt. Wäre ich ein Mann, würde ich das eigenhändig tun. Ich bin keine goldene Gans. Ich muss auch meine Familie ernähren, und jetzt auch noch dich!«
    Aber wie sollte ich alte Leute, die meine eigenen Eltern hätten sein können, aus ihrem Zuhause vertreiben?
    »Miguel, bitte versuch, meine Mutter zu verstehen«, sagte Catalina eines sonntags auf dem Weg zur Messe. »Für meinen Vater war ein maravedí so viel wert wie ein escudo . Für ihn war Geld dazu da, ausgegeben zu werden. Wenn es um Geld geht, haben meine kleinen Brüder einen besseren Geschäftssinn als er. Mamá ist nicht mehr jung, sie ist müde, die Arbeit kostet sie zu viel Kraft. Sie braucht einen Mann, der ihr diese Aufgaben abnimmt. Ich weiß, dass du ein Dichter bist und Mitleid mit deinen Mitmenschen hast, aber du musst dich bemühen, Miguel. Wir sind darauf angewiesen, dass der uns zustehende Pachtzins eingetrieben wird. Wenn La Galatea , wie wir alle hoffen und beten, sich als Erfolg erweist, können wir jemanden anstellen, der sich um die Geschäfte kümmert, wie du es möchtest, damit du dich ohne lästige Störungen dem Schreiben widmen kannst.«
    Ich wollte meine bezaubernde Frau nicht enttäuschen, die im Salon eine Dame und im Bett eine Hure war und die mich mit Zärtlichkeit und Respekt behandelte.
    Mein paradiesisches Eheleben lief Gefahr zu scheitern, wenn Catalina und ich noch weiter mit ihrer Mutter zusammenlebten. Seit einiger Zeit wurde das Haus des verstorbenen Hidalgos Don Alonso Quijana de Salázar wieder zur Pacht angeboten. Vor vielen Jahren war es das prächtigste Haus in Esquivias gewesen, eines der schönsten in der Umgebung von Toledo sogar, aber mittlerweile begann es zu zerfallen. Die Mauern bröckelten, und für die meisten Einheimischen war es zu groß und zu teuer. Auf das Risiko hin, meine Frau zu verärgern, beschloss ich, mein Honorar von Doña Juana zu nutzen und das Haus zu pachten. Sein in meinen Augen größter Vorzug bestand darin, dass es auf der anderen Seite der Stadt lag, so weit von meiner Schwiegermutter entfernt wie möglich.
    Pater Palacios hatte mir bei Doña Juanas erster Abendgesellschaft von dem Hagestolz Alonso Quijana erzählt. Er war ein vermögender Landbesitzer gewesen, ein entfernter Verwandter Doña Catalinas, der verrückt geworden war, und zwar nach Ansicht der Esquivianer durch die Lektüre allzu vieler Ritterromane. Im Alter jedoch hatte er seinen Verstand zurückgewonnen und sein Leben als Mönch beendet. Der Raum, der Don Alonso als Bibliothek gedient hatte, wurde mein Schreibzimmer. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich einen Raum, in dem ich mich ausschließlich dem Schreiben widmete. Auf den Regalen stand eine Handvoll verstaubter Ritterromane. Marianita, eine alte, halbblinde Bedienstete, die nach wie vor im Haus lebte, hatte sie gerettet, als Don Alonsos Nichte im Versuch, ihrem Onkel wieder zu Verstand zu verhelfen, alle Bücher zum

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