Die Leidenschaft des Cervantes
Fenster hinausgeworfen und sie mitten auf der Straße verbrannt hatte. Der massige Schreibtisch des Verstorbenen stand vor ebendiesem Fenster, ich brauchte also nur noch einen Stuhl, einen Kiel, ein Fass Tinte, Schreibpapier und die Muse, die meine Fantasie beflügelte.
Vom Schreibtisch aus wanderte mein Blick über endlose gelbbraune Felder, auf denen Linsen und Kichererbsen gediehen. Während ich jeden Tag an meinem Schreibtisch saß und auf die ockerfarbene, baumlose manchegische Landschaft hinaussah, gab ich mich dem Tagtraum hin, dass ich ein wohlhabender Landjunker war, der gute, aber beliebte Romane schrieb, die ihm zu Wohlstand verholfen hatten. Angesichts meines finanziellen Erfolgs hielt meine Schwiegermutter schließlich und endlich den Mund und ließ Catalina und mich in Frieden. In meiner Fantasie lebten meine betagten Eltern in trauter Eintracht bei uns, und meine Frau und ich waren mit vielen Kindern gesegnet, die die Freude meiner Eltern im Alter waren.
Wenn ich durch die leeren, ungeräumten Zimmer ging, spürte ich die Anwesenheit Alonso Quijanas. Das Haus hatte einen großen, mit glatten quadratischen Steinen gepflasterten Hof. Zum Anwesen gehörte außerdem ein Lagerhaus, in dem riesige Fässer für Wein und Olivenöl standen und in dem es selbst an den heißesten Sommertagen kühl blieb. Die Fässer waren leer. Ich träumte von dem Tag in nicht allzu ferner Zukunft, an dem sie wieder voll sein würden, und auch der Kornspeicher würde von Weizen und Gerste überquellen. Rechts vom Lagerhaus gelangte man durch einen Torbogen in einen Tunnel, gebaut zu der Zeit, als die Mauren Esquivias regelmäßig angegriffen hatten. Der Tunnel, der mit arabischen Motiven und gotischen Bögen geschmückt war, führte in die Tiefen des Bergs Santa Barbara. Früher einmal waren alle Häuser des Dorfes durch derartige Tunnel miteinander verbunden gewesen. Während der Überfälle der Mauren waren die Menschen durch die Tunnel auf die Kuppe Santa Barbaras hinaufgestiegen, wo sie sich besser verteidigen konnten.
Bei seinen Besuchen unterhielt Pater Palacios mich mit Geschichten über Alonso Quijana. An den kalten Winterabenden, wenn wir uns um ein Kohlebecken im Zimmer im ersten Stock versammelten, in dem die Frauen saßen und strickten, las ich laut aus Romanen vor, manchmal erzählte aber auch Marianita, die schon als junges Mädchen für Don Alonso gearbeitet hatte, Anekdoten über ihren exzentrischen Herrn. Und je mehr ich über ihn erfuhr, desto mehr erschien er mir wie der Held einer Geschichte, die noch erzählt werden musste.
Mit der Ankunft des Frühlings erschien in den Buchläden von Madrid auch La Galatea , mein erstes Kind. Ich knüpfte so viele Erwartungen an meinen Roman, vor allem die Hoffnung, dass ich durch ihn berühmt und ein für alle Mal der Geldsorgen ledig sein würde. Endlich würde mein Genie anerkannt werden, davon war ich überzeugt. Ich wusste, dass ich einen Schäferroman geschrieben hatte, der völlig anders war als die meiner Zeitgenossen. Wohl niemand vor mir hatte die Kühnheit besessen, einen Roman in Prosa und Versen zugleich zu schreiben.
Trotz einiger wohlwollender Besprechungen von Freunden, die lobende Worte für meine neuen Ideen fanden, vergingen quälende Wochen und Monate, bis schließlich feststand, dass La Galatea unter der Leserschaft von Schäferromanen kein geneigtes Publikum gefunden hatte. Exemplare meines Buches stapelten sich auf den Regalen der Bücherläden von Madrid. Jedes unverkaufte Exemplar war ein Vorwurf, eine blutende Wunde, die mein Leben zu verkürzen drohte. Bei meinen seltenen Besuchen dort schämte ich mich, Buchgeschäfte zu betreten, aus Angst, ich würde als der erfolglose Autor eines Romans erkannt werden, für den sich niemand interessierte.
Ich hatte den Gedanken aufgegeben, meinen Lebensunterhalt mit Bühnenstücken zu verdienen. Wenn es mir nicht gelang, meine Frau mit dem Schreiben von Romanen zu ernähren, was konnte ich dann noch tun? Mein Traum, meinen Eltern ein armes, würdeloses Dasein im Alter zu ersparen, hatte sich zerschlagen. Allmählich dachte ich, dass es besser gewesen wäre, durch die Hand der Türken den Tod zu finden, als nach Spanien zurückzukehren und in aller Öffentlichkeit zu scheitern.
In dieser Zeit tiefster Niedergeschlagenheit traf die Nachricht vom Tod meines Vaters ein. Obwohl es in den letzten Jahren um seine Gesundheit nicht zum Besten gestanden hatte, war ich doch davon überzeugt gewesen, dass er noch
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