Die Leidenschaft des Cervantes
unseren Großeltern, bis ich das Studium in Alcalá abgeschlossen hatte. Nicht lange nach der Hochzeit war sie guter Hoffnung. Die Nachricht bereitete mir mehr Freude, als ich je empfunden hatte. Wenn es Gott gefiel, so hoffte ich, würden noch viele weitere Kinder folgen. Obwohl Mercedes immer bei bester Gesundheit gewesen war, gab es in der Schwangerschaft von Anfang an Komplikationen. Diego kam im siebten Monat zur Welt, und während der Geburt verlor Mercedes so viel Blut, dass die Ärzte achtundvierzig Stunden lang um ihr Leben fürchteten.
Mein Vaterglück wurde von Diegos schwächlicher Konstitution getrübt. Oft verweigerte er die Brust der Ammen, die wir ins Haus holten, und Mercedes’ Brüste selbst brachten nur wenige durchsichtige Milchtropfen hervor. Das Wachstum meines Sohnes war kaum bemerkbar. An seinem ersten Geburtstag war Diego so dünn und zart, dass ich fürchtete, ihm eine Rippe zu brechen, wenn ich ihn in den Arm nahm. Er war lilienweiß, als flösse kein Blut in seinen Adern. Ohne erkennbaren Grund weinte er stundenlang, manchmal auch tagelang, aber nicht voll Zorn, wie Kinder es zu tun pflegen, sondern so, als würde er einen untröstlichen Verlust beklagen. Gleichgültig, wo ich mich im Haus aufhielt oder wie weit ich mich von dem Jammern entfernte, ich hörte es dennoch. Selbst wenn ich meilenweit entfernt in meinem Haus in Alcalá war, hörte ich Diego nachts, nachdem ich meine Gebete gesprochen und die Kerze gelöscht hatte, in der Dunkelheit weinen, so deutlich, als stünde seine Wiege neben meinem Bett.
Diegos Zerbrechlichkeit war unsere größte Sorge, und Mercedes wurde zu seinem Schatten. Ihre Fürsorge grenzte ans Krankhafte: Sie bestand darauf, alles zu kosten, bevor er davon essen durfte, sie passte auf, dass er nie barfuß ging, dass er während der heißesten Zeit des Tages nie der Sonne ausgesetzt war und nicht in den Regen geriet, dass er den Abendtau mied, dass er keinem Menschen nahe kam, der erkältet war, hustete oder vor Kurzem ein Fieber oder eine andere Krankheit gehabt hatte. Sie stellte sicher, dass er nachts in schwere Pelze gewickelt war und nach dem Baden am Feuer saß und einen Becher heißer Schokolade trank, bis er am ganzen Körper trocken war.
Diego ertrug diese übertriebene Zuwendung mit Gelassenheit. Und Mercedes ging derart in der Pflege unseres Sohnes auf, dass ihre eigene Erscheinung ihr offenbar gleichgültig wurde. Trotz dieser mangelnden Eitelkeit verlieh die Mutterschaft ihr eine Reife und Weichheit, durch die sie schöner wurde als je zuvor. Mein Verlangen nach ihr wuchs. Nie wieder würde sie so begehrenswert aussehen wie nach Diegos Geburt. Doch ich wurde für sie unsichtbar, ein Bekannter, der zufällig im selben Haus lebte. Sie vergaß die ehelichen Pflichten, die sie mir gegenüber hatte, und schlief auf einer Liege neben Diegos Bettchen.
Wollte Gott mich für mein unbegründetes Misstrauen gegenüber Mercedes strafen? Für meinen Hass auf Miguel? Hass war ein Schlag in das Angesicht Gottes, das wusste ich. Ich war ganz offenbar kein guter Christ. In meiner Jugend, als Student in Madrid, war die Dichtung meine Religion gewesen. Sicher, ich war ein pflichtbewusster Katholik: Ich fastete, wenn ich fasten sollte, ich besuchte sonntags die Messe, ich ging zur Beichte und empfing einmal die Woche die Heilige Kommunion, ich befolgte die religiösen Feiertage. Ich tat alles, was von mir erwartet wurde, aber ich lebte nicht für Gott: Ich verlangte nach irdischem Lohn. Um den bemühte ich mich mehr, als um meinen Platz im Himmel, von dem ich glaubte, dass er mir meiner Lebensführung wegen im Grunde ohnehin zustand. Ich machte es mir zur Gewohnheit, jeden Tag frühmorgens zur Messe zu gehen. Als das nicht genügte, um die Unruhe in meiner Seele zu stillen, fing ich an, wie Großvater Lara jeden Tag einige Stunden zu beten. Ich betete, meine Sohn möge gesund und kräftig werden und zu einem Mann heranwachsen, und vor allem betete ich, dass die Sünden des Vaters nicht am Sohn heimgesucht würden.
Zum Abschluss meines Studiums schenkten meine Eltern uns ein großes, stattliches Haus in der Nähe unseres Familienwohnsitzes. Ich hoffte, dass der Umzug nach Madrid einen Neubeginn für unsere Ehe darstellen würde und dass die Zerstreuungen, die Madrid zu bieten hatte, etwas Freude in unser Leben bringen würden. Vielleicht würde das Einrichten des Hauses für Mercedes eine wohltuende Ablenkung darstellen. Wie es sich für unseren Stand gehörte, war
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