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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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ich keinen meiner großen Träume erfüllt. Wenn Hassan Pascha mich pfählte, was wäre dann der Sinn meines Lebens gewesen? Was würde ich zurücklassen, wessentwegen man meiner gedachte?
    Meine Mitflüchtlinge und ich beteten lautlos die ganze Nacht hindurch und bemühten uns, nicht durch auffälliges Verhalten jemandes Misstrauen zu wecken. Stundenlang lag ich reglos und mit geschlossenen Augen da und betete zur Muttergottes, sie möge unseren Plan segnen.
    Während des letzten Rufes zum Gebet, bevor die Pforten von Bab Azoun zur Nacht geschlossen wurden, gingen wir verstohlen, jeder für sich, zur Stadt hinaus. Sobald wir außerhalb der Stadtmauern waren, eilten wir im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit so schnell unsere Ketten es erlaubten in den nahe gelegenen Wald, wo wir uns im Gebüsch versteckten. Als schließlich die Sonne ganz untergegangen war, kletterten wir auf allen Vieren den Abhang hinauf, während die ausgehungerten Wachposten, geschwächt und halluzinierend vom fast vierwöchigen Fasten, sich die Bäuche vollschlugen. Ich ging voraus.
    Wir erreichten die Höhle. El Dorador, der mit Werkzeug zum Aufbrechen unserer Fesseln, Vorräten für die Reise nach Tipasa und Pferden auf uns warten sollte, war nicht dort.
    »Er hat uns verraten, um sich beim Beylerbey einzuschmeicheln«, sagte Don Fernando de Caña. »Hat man uns nicht gewarnt, sich nie mit Abtrünnigen einzulassen?«
    »Cervantes, ich dachte, Ihr hättet gesagt, dass wir diesem Mann vertrauen können, dass er wieder zum Christentum übertreten will«, sagte Don Eduardo Hinojosa.
    Ehe die Auseinandersetzung uns vergessen ließ, dass wir Freunde und nicht Feinde waren, sagte ich: »Ich übernehme die volle Verantwortung für alles, was passiert.«
    »Ich möchte Euch ja nicht zu nahetreten, Miguel, aber was nützt uns das jetzt?«, fragte Don Julio Hinojosa.
    Zum ersten Mal meldete sich Sancho zu Wort. »Vielleicht wurde El Dorador aufgehalten. Einigkeit macht stark, meine Herrschaften. Mit Streit ist uns nicht geholfen. Es ist durchaus möglich, dass er gerade auf dem Weg zu uns ist. Setzen wir uns zum Warten doch in die Höhle.«
    Berberlöwen brüllten im Gebüsch, das genügte, um uns von der Klugheit von Sanchos Vorschlag zu überzeugen. Wir betraten die klaffende Öffnung, Sancho entzündete eine Fackel. Die Höhlenwände bestanden aus schierem Fels. Wir versammelten uns im vorderen Bereich, der einen rechteckigen Raum bildete, dahinter begann ein niedriger Tunnel, der ein paar Männern in geduckter Haltung Platz bot.
    Wir beschlossen, einen Beobachtungsposten aufzustellen. Don Diego de Mendiola erbot sich, auf dem Felsen oberhalb der Höhle Wache zu stehen, bewaffnet mit zwei Pistolen und einem Dolch.
    Die Nacht wurde kalt, und die Fackel genügte nicht, um uns zu wärmen. Mit ein paar Holzstücken und Bergen von trockenem Laub entzündeten wir ein Feuer, um das wir uns setzten. Die Wärme tat uns gut, aber wir hatten Hunger und Durst. Sancho zog sich in den hinteren Teil der Höhle zurück, wo er sich mit gespreizten Beinen hinsetzte und mit einem Stein konzentriert und geduldig begann, die Kette zwischen seinen Fußfesseln aufzuschlagen. Bis auf sein Hämmern herrschte absolute Stille.
    Wir hörten jemanden näher kommen, dann stürzte Don Diego in höchster Erregung zur Höhle hinein. »Sie kommen, um uns nach Algier zurückzubringen«, stieß er hervor.
    »Jetzt erliegen wir doch nicht der Versuchung, gleich das Schlimmste zu befürchten«, sagte ich. »Woher wisst Ihr, dass es nicht El Dorador mit den Pferden ist?«
    »Dutzende von brennenden Fackeln kommen den Berg hinauf. Cervantes, es sieht aus wie ein kleines Heer. Ich fürchte, Arnaut Mamí hat die Janitscharen auf uns gehetzt.«
    Wir alle schauderten. »Wir ergeben uns nicht«, sagte Don Fernandito Caña. »Wir wehren uns.«
    »Euer Wort in allen Ehren«, sagte Sancho, »aber wenn wir uns wehren, werden wir abgestochen wie die Lämmer auf der Schlachtbank.«
    »Wenn sie uns zurückbringen, foltern und töten sie uns sowieso«, meinte einer der Hinojosa-Brüder.
    »Wenn wir jetzt sofort fliehen, finden wir mit etwas Glück eine andere Höhle, in der wir uns verstecken können«, schlug Don Fernando vor.
    Ich wusste, dafür war es zu spät. »Empfehlen wir uns unserem Herrn und beten um seine Gnade«, sagte ich. Ich erinnerte mich an meine Erfahrung auf der Sol , als Arnaut Mamí uns gefangengenommen hatte. »Wenn sie uns lebend zu fassen bekommen, haben wir eine Chance zu

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