Die leise Stimme des Todes (German Edition)
oder eine Krankmeldung einreichen, können Sie Ihre Papiere abholen.“
Nun ja, darüber musste er sich keine Sorgen machen. Er hatte die Firma vom Krankenhaus aus angerufen. Selbst Henrich, dieses selbstgefällige Arschloch, hatte ihm gute Besserung gewünscht und gesagt, er solle erst wieder auf die Beine kommen.
Weitere Nachrichten auf dem Anrufbeantworter stammten von einem Versicherungsvertreter, der nach einem Termin fragte und um Rückruf bat und von seinem Freund Paul, der wissen wollte, ob er schon wieder daheim war.
Der letzte Anruf war von Tina.
„Hallo, Mark. Ich bin es, Tina.“
Überflüssig, er hätte ihre Stimme unter Millionen anderer Stimmen erkannt.
„Ich möchte dich bitten, nicht mehr hier anzurufen. Ich habe dir die Nummer gegeben, falls noch etwas anliegt oder Post für mich kommt, und nicht dafür, dass du meinen Freund beleidigst und ihn beschimpfst. Ist das klar?“
Selbst das Klicken, mit dem die Verbindung unterbrochen wurde, klang ungehalten - zu Recht. Als er mit Paul und den anderen um die Häuser gezogen war, hatte er von einer Gaststätte aus bei ihr angerufen und total besoffen ihren neuen Freund, den Tennislehrer, vollgequatscht. Was er genau gesagt hatte, wusste Mark nicht mehr, aber anscheinend waren es keine netten Dinge gewesen.
Ich sollte mich ein wenig zusammenreißen. Dass Tina mich verlassen hat, ist noch lange kein Grund, ausfällig oder zum Jammerlappen zu werden.
Er musste endlich mit der Tatsache klarkommen, dass sie weg war und nicht zurückkehren würde.
Der Wind wehte durch das offene Fenster herein und wischte einen Stapel Papiere von seinem Schreibtisch. Fluchend ging er zum Fenster hinüber, um es zu schließen. Er legte die Hand auf den Fenstergriff, als ihm auffiel, dass sich in der gegenüberliegenden Wohnung die Vorhänge bewegten.
Seltsam. Die Wohnung stand, wie der Rest des Hauses, seit Monaten leer. Das Gebäude sollte abgerissen werden und einem Supermarkt Platz machen.
Wer, um alles in der Welt, zog in ein abbruchreifes Haus und glaubte, er könne dort so lange wohnen, dass es sich lohnte, Vorhänge aufzuhängen?
Kopfschüttelnd wandte er sich ab. Sein Blick fiel auf das Chaos herumliegender Kleidungsstücke und anderer Sachen. Es war höchste Zeit aufzuräumen.
Als Mark Keller den Staubsauger anwarf, nahm der Mann in der leeren Wohnung im gegenüberliegenden Haus den Kopfhörer ab und schaltete das Tonbandgerät aus, das sich selbstständig in Betrieb setzte, wenn jemand das Apartment in der Rosenstraße 17, zweiter Stock, betrat.
Das Equipment, das der Mann benutzte, war das Neueste vom Neuesten, was Japans Technologie zu bieten hatte. Die Mashuita SX-7000 Abhörmikrofone waren dermaßen empfindlich, dass sie selbst das Summen einer Fliege aufgenommen hätten, wenn sie entsprechend justiert worden wären. In diesem Fall war das nicht nötig. Es ging darum, den allein lebenden Mark Keller zu belauschen, und interessant wurde es nur, wenn er angerufen oder besucht wurde. Aber das war nicht der Grund, warum derartige Spitzentechnologie eingesetzt wurde. Sein Auftraggeber wollte zu jedem Zeitpunkt wissen, wann das Objekt die Wohnung betrat oder verließ.
Der Beobachter hatte zwar auch ein leistungsstarkes Zeiss-Fernrohr mit Restlichtverstärker zur Verfügung, aber er konnte nicht alle Zimmer einsehen. Von dem Grundrissplan der Wohnung, in der Mark Keller mehr hauste als wohnte, wusste er, dass es eine Verbindung von der Küche zum Flur gab, die außerhalb seines Sichtfeldes lag.
Der Mann, der vierundzwanzig Stunden am Tag hinter dem Tonbandgerät und dem Fernrohr saß, hieß Vasec Fric und war ein Mitglied des ehemaligen Tschechoslowakischen Geheimdienstes gewesen. Ebenso wie Kurt Wenner hatte er nach dem Zusammenbruch des Ostblocks die neuen Möglichkeiten rasch erkannt und arbeitete jetzt für einen privaten Auftraggeber. Einem Auftraggeber, der über die finanziellen Mittel verfügte, Fric das neueste Know-how an die Hand zu geben.
Der untersetzte Tscheche mit dem struppigen Backenbart und beginnender Glatze staunte selbst nach zehntägiger Benutzung noch immer über die Möglichkeiten der Geräte.
Fric blickte wehmütig zu seinem Schlafsack hinüber, der zusammengerollt in einer Ecke des Zimmers lag, aber er wusste, dass sich so bald keine Gelegenheit zum Schlafen ergeben würde.
In der Zeit, die Mark Keller im Krankenhaus verbracht hatte, war ein anderes Beobachtungsteam für ihn zuständig gewesen, und Fric hatte nach einer
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