Die leise Stimme des Todes (German Edition)
Gegenstand und kein Möbelstück mehr an seinem ursprünglichen Platz, aber das war ihm gleichgültig. In seinem Kopf lauerten die Gedanken wie ein Rudel hungriger Wölfe um einen verletzten Hirsch. Er brauchte mehr Informationen, und Informationen gab es im Internet, dem modernen Marktplatz der Kommunikation.
Mark loggte sich ein und tippte die Suchworte:
Organspende + Organspendeausweis + Sicherheit
Eine Vielzahl von Einträgen auf dem Bildschirm. Mark schaltete sich in die wichtigsten Seiten ein, aber er erfuhr nichts, was er nicht schon wusste. Informationen über Organspender wurden nicht an die verschiedenen Organisationen, die sich mit der Vermittlung der Organe beschäftigten, oder an die Kliniken, die transplantierten, weitergegeben. Sie konnten gar nicht weitergegeben werden, da es genügte, einen Organspenderausweis auszufüllen und bei sich zu tragen, um als Spender in Frage zu kommen. Niemand erhielt persönliche Daten, da keine Antragformulare ausgefüllt und eingereicht wurden.
„Verdammt!“, fluchte Mark laut. „Woher weiß überhaupt jemand, dass ich Organspender bin und welche Blutgruppe ich habe?“
Es ergab keinen Sinn! Es ergab einfach keinen Sinn!
Es sei denn, jemand innerhalb des Roten Kreuzes gab Informationen weiter.
Mark forschte in seiner Erinnerung. Wie war es gewesen? Wer hatte ihn angesprochen? Wer hatte ihn gefragt, ob er nicht einen Organspenderausweis ausfüllen wolle?
Ein schmales männliches Gesicht mit vielen tief eingegrabenen Falten tauchte in seinem Geist auf. Wie hieß der Mann doch gleich?
Rother? Nein.
Rothmann? Nein.
Rothaus. Ja, das war sein Name. Rothaus. An den Vornamen konnte sich Mark beim besten Willen nicht erinnern, aber möglicherweise war er gar nicht genannt worden. Was hatte er gesagt?
„Sie haben eine seltene Blutgruppe, Herr Keller. Es ist gut, dass Sie so regelmäßig zum Blutspenden kommen. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, Organspender zu werden?“
„Nein.“
„Das sollten Sie aber tun. Es gibt in diesem Land zu wenig Menschen, die bereit sind, nach ihrem Tod ihre Organe zu spenden, damit ein anderer ein Leben in Gesundheit führen kann.“
„Ich denke nicht an den Tod.“
„Das sollen Sie auch nicht, aber denken Sie an die Menschen, die auf ein dringend benötigtes Organ warten, ohne das sie nicht weiterleben können.“
Rothaus, das war eine Spur, die Mark weiterverfolgen konnte. Das bekannte Fieber, das er immer gespürt hatte, wenn er mit seinem Computer illegale Hacker-Aktionen unternommen hatte, erwachte wieder. Es war wie früher: Das Zimmer um ihn herum verschwand, seine Konzentration richtete sich ganz auf den flimmernden Bildschirm.
Über das Internet rief Mark nun die Web-Site des Deutschen-Roten-Kreuzes auf. Das bekannte Logo erschien, aber Mark beachtete es nicht, sondern klickte sich rasch durch die verschiedenen Seiten, die die Arbeit der Organisation erklärten. Er war auf der Suche nach etwas ganz Bestimmten, und kurz darauf hatte er es gefunden.
Mark verließ die Web-Site, schob eine seiner speziellen Disketten ins Laufwerk, lud ein Programm und loggte sich erneut ein. Dieses Programm würde ihn unsichtbar für den anderen Computer machen, selbst wenn dort der Versuch unternommen wurde, ihn zu aufzuspüren . Mark verschaffte sich Zugang zum System, indem er dem fremden Rechner vorgaukelte, er sei ein zugelassener Benutzer.
Es funktionierte. Nun standen ihm alle Möglichkeiten offen.
Er ging auf die Verwaltungsebene und rief die Personalakten der Mitarbeiter des Roten Kreuzes, Dienststelle München, auf. Kurze Zeit später lag das Leben von Jürgen Rothaus offen vor ihm.
Jürgen Rothaus
geb. 23.01.1953 in Köln
Grund- u. Hauptschule Köln-Kalk
Heinrich-Heine-Gymnasium Köln-Kalk, Abitur
Studium der Betriebswirtschaft an der Universität München
Familienstand: verheiratet
Ehefrau: Sabine Rothaus, geb. Weller, geb. 07.07.1956,
Kinder: Mathias, geb. 13.02.1980, Judith, geb. 22.09.1982
Rothaus hatte ein Leben geführt wie Millionen andere Menschen auch. Nichts daran war ungewöhnlich, und Mark glaubte schon, er befinde sich auf dem Holzweg. Aber dann entdeckte er etwas Merkwürdiges. Der letzte Arbeitgeber, bevor Rothaus seine Stelle beim Roten Kreuz antrat, besaß einen Namen, der ihn aufhorchen ließ.
ORGANIC. Das konnte kein Zufall sein! Als Adresse war eine Ortschaft bei Augsburg angegeben, die Mark nur dem Namen nach kannte.
Er loggte sich beim Roten Kreuz aus und gab
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