Die leise Stimme des Todes (German Edition)
gewesen, aber jetzt schien sie zum Plaudern aufgelegt zu sein. Er betrachtete ihre Silhouette, während sie den Blick nach vorn gerichtet hielt.
„Na, alles ist hier interessant“, sprach sie weiter. „Die Klinik hat die modernste medizinische Einrichtung in Europa, das am besten ausgebildete Personal und kann ausgezeichnete Ergebnisse in der Transplantationschirurgie vorweisen.“ Sie zögerte kurz, als habe sie etwas Dummes gesagt. „Aber das wissen Sie sicherlich selbst, denn sonst wären Sie ja nicht hier.“
Mark wusste nicht, was er antworten sollte, also sagte er lieber gar nichts. Er hoffte, dass die Frau das Signal verstand und ihn in Ruhe ließ. Sie verstand es nicht.
„Sie sind vom Universitätsklinikum München, sagten Sie?“
„Ich sagte gar nichts“, antwortete Mark barsch.
„Später kommt ein Vortrag über das neue Medikament Endothel, ich habe letzte Woche eine Septikämievorgenommen und phantastische Resultate erzielt. Was halten Sie von Endothel? Es ist zwar neu auf dem Markt, aber ...“ Den Rest ließ sie unausgesprochen.
„Sie haben Recht, Endothelist ein interessantes Thema, und vielleicht können wir uns später darüber unterhalten, im Augenblick würde ich gern dem Vortrag zuhören.“ Mark hoffte, dass damit das Gespräch beendet war. Er konzentrierte sich auf den Redner.
„Jetzt hören Sie mir genau zu“, zischte es neben ihm. „Sie aufgeblasener Wichtigtuer. Sie mögen alles Mögliche sein, aber Sie sind kein Arzt!“
Was sollte er jetzt tun? Er konnte schlecht aufstehen und sich davonmachen, das würde ihren Verdacht nur bestätigen.
Mark versuchte es mit Witz und Charme. „Ach, und warum bin ich kein Arzt?“
„Erstens ist Endothel kein Medikament. So werden Zellen an der Innenseite von Gefäßen bezeichnet. Fehler Nummer zwei - eine Septikämie ist kein chirurgischer Eingriff, sondern eine simple Blutvergiftung. Herr Doktor, so etwas lernen Medizinstudenten bereits im ersten Studienjahr, und jetzt gebe ich Ihnen dreißig Sekunden, mir zu erklären, was Sie hier zu suchen haben. Es sollte eine vernünftige Erklärung sein oder ich informiere die Klinikleitung.“ Ihre Augen blitzten in der Dunkelheit. „Noch etwas, hätte ich beinahe vergessen, aus München sind ebenfalls nicht, zumindest nicht vom Universitätsklinikum, denn dortarbeite ich, und ichhabe Sie noch nie gesehen!“
Mark brach der Schweiß aus allen Poren. Plötzlich war ihm nicht mehr kalt, sondern glühend heiß. Ein Gefühl, als würde er innerlich verbrennen. Was in Gottes Namen sollte er ihr antworten? Sein Kopf war leergefegt. Er nahm die erste Ausrede, die ihm in den Sinn kam.
„Ich bin Reporter.“ Drei Worte, mehr brachte er nicht heraus.
Die Frau tippte ihm mit dem Finger gegen die Brust, dann deutete ihre Hand in Richtung Podium.
„Sehen Sie die vollbesetzte zweite Reihe?“, flüsterte sie.
Mark brachte nur ein klägliches Nicken zustande.
„Das sind alles Reporter! Offiziell eingeladen, mit einer Kennkarte, die sie als Journalisten ausweist. Sie haben noch fünfzehn Sekunden! Lassen Sie sich etwas Besseres einfallen!“
Aus! Alles war aus! Die Wahrheit würde sie ihm nie glauben! Die Frau würde aufstehen, ihn bloßstellen und womöglich in Gefahr bringen. Und was, wenn er verhaftet wurde? Er war in fremde Rechner eingebrochen, hatte Urkunden gefälscht und was sonst noch. Mit seinem Vorstrafenregister würden sie ihn diesmal einbuchten. Er war kein Siebzehnjähriger mehr, der aus Vergnügen und Unwissenheit Straftaten beging und nur mit dem milden Jugendstrafrecht zu rechnen hatte. Nein, wenn die Klinik ihn anzeigte, saß er so richtig in der Scheiße.
Er seufzte. „Jemand versucht, mich umzubringen.“
Sekundenlang herrschte Schweigen, dann sagte sie leise. „Das glaube ich Ihnen nicht!“
Mark beachtete die Frau nicht mehr. Soeben betrat ein Mann die Rednerbühne, den er kannte. Es dauerte eine halbe Minute, bis sein Verstand begriff, was seine Augen sahen. Und dann wurde aus einer irrealen Bedrohung eine greifbare Gefahr.
Rico Sanden stellte sich hinter das Mikrofon.
13. Kapitel
„Mein Name ist Rico Sanden und auch ich möchte Sie recht herzlich in unserem Haus begrüßen. Als Verwaltungschef werde ich sie im Laufe des Tages durch unsere Klinik führen. Zunächst ...“
Mark hörte nicht mehr zu. In seinem Kopf brach ein Sturm aus Gedanken und Bildern los. Er sah sich selbst im Hallenbad, am Tag des Unfalls, Sandens lächelndes Gesicht, als sie
Weitere Kostenlose Bücher