Die leise Stimme des Todes (German Edition)
zusammen ein Bier getrunken hatten. Und nun saß er in einem abgedunkelten Saal und glotzte auf den Mann, den er für seinen Retter gehalten hatte.
Von wegen Vermessungstechniker, dachte Mark. Das war eine Lüge, so wie wahrscheinlich jedes andere Wort, das Sandens Mund verlassen hatte. Von Anfang an hatte er sich nicht vorstellen können, dass Rico Sanden einen derartigen Beruf ausübte. Es passte nicht zu ihm.
Verwaltungschef einer Klinik? Auch das konnte sich Mark nicht vorstellen. Sanden wirkte nicht wie ein Bürokrat, er wirkte wie ...
Mark spürte in diesem Augenblick, dass sich hinter dem blitzenden Lächeln etwas Bösartiges verbarg, etwas Dunkles.
„Ich glaube Ihnen nicht“, wiederholte die Frau neben ihm.
Sandens Erscheinen hatte ihn derartig überrascht, dass er sie vollkommen vergessen hatte.
„Wer will Sie umbringen? Und warum?“
Ihre Stimme klang heiser. Mark rutschte tiefer auf dem Stuhl herunter. Sanden würde ihn im Halbdunkel auf die Entfernung kaum ausmachen können, aber er wollte kein Risiko eingehen.
„Sehen Sie den Mann auf der Bühne?“, antwortete Mark leise.
„Ja, was ist mit ihm?“
„Er hat versucht, mich zu töten.“
„Sind Sie verrückt?“
Mark gestattete sich ein Lächeln. „Sicher nicht. Ich habe meine Gründe.“
„O nein, das ist mir zu wenig. Entweder Sie sagen mir sofort, warum Sie glauben, der Verwaltungschef einer bekannten Klinik versuche Sie umzubringen, oder ich veranstalte hier einen Heidenspektakel.“
Sie meinte es ernst. Ihm blieb keine Wahl. Er musste ihr von seinem Verdacht erzählen, sich bemühen, sie zu überzeugen.
„Ich weiß nicht, für wen dieser Mann arbeitet, aber ich weiß, warum man versucht, mich zu töten. Die wollen etwas von mir.“
„Ach, und was soll das sein?“
„Mein Herz!“
Katherine verschlug es die Sprache. Ein Fremder saß neben ihr, und behauptete, dass man versuchte, ihn zu töten. War der Mann psychisch krank?
Sie beobachtete Mark heimlich. Eigentlich wirkte er vollkommen normal. Wenn man für einen Moment sein merkwürdiges Verhalten und seine abstrusen Behauptungen unbeachtet ließ, wirkte er geistig gesund.
„Werden Sie jetzt aufstehen und mich bloßstellen?“
„Was Sie da sagen, klingt vollkommen hirnverbrannt.“
Eine Frau vor ihnen in der Sitzreihe wandte sich auf ihrem Stuhl herum und zischte ärgerlich.
„Also gut, gehen wir hinaus und sie erklären mir alles, aber versuchen Sie nicht zu verschwinden, sonst verständige ich sofort die Klinikleitung.“
Draußen in der menschenleeren Halle konnte Mark endlich die Frau, die ihm so sehr zugesetzt hatte, genauer betrachten. Ihr Namensschild verriet, dass sie Katherine Tallet hieß. Dr. Katherine Tallet, Universitätsklinikum München. Mark hätte gewettet, dass kein zweiter Arzt aus München anwesend war, und ausgerechnet er hatte sich im Café an den Tisch der einzigen Person gesetzt, die seine gefälschte Identität aufdecken konnte.
Nun konnte er nur versuchen, sie davon zu überzeugen, dass er nicht komplett verrückt war. Der Rest war Schicksal. Auf jeden Fall war die ganze Sache durch Sandens Auftauchen gefährlich geworden. Mark grübelte darüber nach, ob er es immer noch wagen sollte, an einen Rechner der Klinik zu kommen, oder ob es nicht besser war, schnellsten von hier zu verschwinden.
„Also, dann lassen Sie mal hören.“
Mark blickte in die blauen Augen der Frau, deren misstrauischer Ausdruck ihm zeigte, dass sie vorerst nicht bereit war, ihm auch nur ein einziges Wort zu glauben. Sie betrachtete ihn, als sei er ein Forschungsobjekt für eine ihrer Studien.
Mark seufzte. „Sie haben Recht, ich bin kein Arzt. Mein Name ist Mark Keller und ich arbeite als Systemoperator. Ich komme aus München. Begonnen hat alles vor nicht einmal zehn Tagen, als ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr.“
Dann berichtete Mark von dem Verkehrsunfall, seiner Einlieferung in das Münchner Klinikum, seiner Entlassung und wie er kurz darauf zum Schwimmen gegangen und was ihm dort geschehen war.
„Die Beule können Sie immer noch fühlen“, sagte er und drehte den Kopf.
„Erzählen Sie weiter.“
Mark berichtete von seiner Entdeckung, dass er abgehört wurde.
„Zunächst konnte ich mir auf all das keinen Reim machen, aber mein Freund Paul hat mich auf die Lösung gebracht, indem er etwas Merkwürdiges sagte. ‚Es gibt immer jemanden, der einen um etwas beneidet’. Seine Worte gingen mir nicht mehr aus dem Sinn. Ich zerbrach mir den
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