Die leise Stimme des Todes (German Edition)
Reuben Katherine in Schach und zwang sie, ebenfalls den Wagen zu verlassen.
Der Himmel war inzwischen aufgerissen, die grauen Regenwolken der Macht der Sonne gewichen.
Gaster führte sie über den Hof zu einem schweren Rolltor, dessen drei Meter hohe Stahltüren offen standen und wahrscheinlich schon seit Jahren in den Schienen festgefressen waren. Er schob Mark und Katherine hinein, wobei er darauf achtete, keinem der beiden zu nahe zu kommen. Er hatte die Situation perfekt unter Kontrolle. Klaus Reuben dagegen wirkte wie ein Labrador, der seinem Herrn nur widerwillig folgte.
Im Inneren der Fabrik erwartete die kleine Gruppe eine kuppelartige Halle, die an einen Rangierbahnhof aus dem vorletzten Jahrhundert erinnerte. Angelaufene Gleise bedeckten in einem verwirrenden Durcheinander den morastigen Boden. Über ihren Köpfen wölbte sich ein Glasdach - ein gigantisches Oberlicht, dessen Scheiben zumeist fehlten oder zerbrochen waren. Mark hatte den Eindruck, dass es sich bei der Fabrik um eine ausgediente Verhüttungsanlage für Stahl handelte, aber es gab keine Schmelzöfen und keine Aufbauten, wie man sie aus Gießereien kannte. Wahrscheinlich war alles schon vor langer Zeit abmontiert und verschrottet worden.
„Halt!“ Gasters Befehl hallte durch den Raum.
Mark und Katherine blieben stehen. Es war keine bewusste Geste, ihre Füße taten es automatisch. Mark fasste nach Katherines Hand, die kalt in seiner lag, als sei alles Blut daraus gewichen.
Gaster hielt einen Abstand von drei Metern zu den beiden, eine Entfernung, auf die er sie nicht verfehlen konnte. Die Waffe in seiner Hand hob sich, bis sie auf Mark zeigte.
Reuben wandte sich ab. Entweder wollte er das Kommende nicht mit ansehen, oder er hatte Sorge, dass seine elegante Kleidung beschmutzt werden könnte.
Gaster wirbelte herum. Seine Waffe bellte auf. Einmal, und dann noch einmal. Reubens dunkelblaues Jackett stand offen. Auf dem weißen Hemd darunter erblühten zwei blutige Rosen, auf die er verständnislos herabglotzte.
„Du hast auf mich geschossen“, ächzte er. Dann kippte sein Körper zur Seite und klatschte in den grauen Schlamm.
Katherine schlug die Hände vors Gesicht. Ihr Schluchzen klang durch die Halle. Mark wollte nach ihr fassen, aber Gaster richtete sofort die Automatik auf ihn.
„Sie erbärmliches Schwein!“, fluchte Mark.
Thomas Gaster lachte. Er schien die Situation und seine Macht zu genießen. Seine Gesichtszüge wirkten entspannt, fast so, als befinde er sich an einem sonnigen Tag auf einem Golfplatz und als wäre ihm gerade ein grandioser Abschlag aufs Grün gelungen.
„Weil ich ihn erschossen habe?“ Er grinste. „Das hatte dieser Hurensohn schon lange verdient. Ständig hat er mich herumkommandiert, aber immer fein darauf geachtet, sich selbst die Hände nicht schmutzig zu machen. Ich habe das ganze Risiko getragen, also steht mir auch das ganze Geld zu. Aber nun zu Ihnen!“
„Na los, Sie gieriges Arschloch, dann bringen wir es hinter uns. Knallen Sie uns ab, aber verschonen Sie mich mit Ihrem widerlichen Geschwätz“, zischte Mark.
„Wenn Sie mich darum bitten -“
Gaster sprach den Satz nicht zu Ende. Sein Gesicht war plötzlich verschwunden. Eben war es noch da gewesen, hatte Mark angegrinst, und nun hatte es sich in eine rote Masse verwandelt, die einem Menschen nicht im entferntesten ähnlich sah.
Gaster stand auf seinen Füßen wie ein lebendig gewordener Albtraum, wie ein Monster aus einem billigen Horrorfilm. Mark begriff nicht, was vorgefallen war. Sein Verstand funktionierte nicht mehr, weigerte sich, das Gesehene einzuordnen.
Gasters Gesicht war weg. Einfach weg!
Plötzlich kam Bewegung in Gasters Körper. Seine Arme hoben sich, die Waffe lag glänzend in der rechten Hand. Er stolperte einen Schritt nach vorn, blieb stehen, und stolperte erneut.
Katherine wich mit einem Aufschrei zurück. Gasters Augen waren nicht mehr vorhanden, aber seine Ohren hatten den Schrei gehört. Langsam wandte er sich Katherine zu.
Ein dumpfes Plopp war zu hören, ließ Gasters Körper zittern. Er verharrte mitten in der Bewegung. Ein weiteres Plopp, und Gaster fiel mit dem Gesicht nach vorn in den Morast.
Mark glotzte den Toten an. Als er wieder aufblickte, sah er zwei schemenhafte Gestalten, die auf ihn zukamen.
„Verdammt zäher Hund!“, sagte Rico Sanden, als er vor Gasters Leiche stand. Mit dem Fuß stieß er gegen den Körper, als wollte er sich versichern, dass er wirklich tot war und nicht
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