Die Lennox-Falle - Roman
Gelegenheit hatten, uns einen oder zwei von diesen Mistkerlen zu schnappen.«
»Und wenn unsere Sicherheitsabteilung mit eingeschaltet wäre, würden sie die verlieren«, sagte Karin. »Die müßten mit der Polizei kooperieren, die alle in Gewahrsam nehmen würde.«
»Ich bewundere Ihre Auffassungsgabe«, sagte Witkowski. »Sie werden eine laute Sirene aus dem Flur hören und dann elektrische Störgeräusche von der Feuertreppe -«
»Die ist ans Stromnetz angeschlossen. Sie haben jetzt den Strom eingeschaltet.«
»Das haben Sie gewußt?« fragte Lennox erstaunt.
»Freddie hat das in Amsterdam mit unserer Treppe genauso gemacht.«
»Das hat er von mir gelernt«, sagte der Colonel. »Kommen Sie jetzt, chlopak , wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«
Exakt fünfundachtzig Sekunden später hatte der einflußreiche Amerikaner, der sich schon früher für ihn verwendet hatte und ihm auch in Zukunft noch nützlich sein konnte, den etwas reizbaren Ungarn dazu überredet, sie einzulassen. Witkowski und Drew standen an seiner, einen Spalt geöffneten Tür. Sie mußten endlos warten. Es waren schon beinahe acht Minuten verstrichen. »Irgend etwas ist schief gelaufen«, flüsterte der Colonel. »Ich verstehe das nicht.«
»Keiner ist die Treppe raufgekommen und von der Feuertreppe war auch nichts zu hören«, sagte Lennox. »Vielleicht sind sie immer noch draußen.«
»Das ergibt auch keinen Sinn. Diese alten Bauten sind wie ein offenes Buch und stehen dicht beieinander … Herrgott ›dicht beieinander‹ … Die Rucksäcke!«
»Was soll das jetzt heißen?«
»Daß ich ein verdammter Esel bin, das soll es heißen. Die haben Greifhaken und Seile! Die steigen von einem Gebäude zum anderen herüber und lassen sich an der Fassade herunter. Raus! Hinauf, so schnell wie möglich. Und treten Sie um Himmels willen nicht auf den Läufer!«
Karin saß mit der Waffe in der Hand im abgedunkelten Zimmer und lauschte auf verräterische Geräusche von draußen. Inzwischen waren, seit der Colonel und Lennox gegangen waren, bereits zehn Minuten verstrichen, ohne daß etwas zu hören gewesen wäre. Sie begann, unruhig zu werden. Witkowski hatte selbst zugegeben, daß sein Argwohn gegenüber anderen fast das Ausmaß von Paranoia erreichte, und Drew war erschöpft. Konnte es
sein, daß sie sich geirrt hatten? Hatte der Colonel einen eifersüchtigen Liebhaber oder einen verängstigten Ehemann für einen potentiellen Attentäter gehalten? Hatte der müde Lennox ein Gesicht gesehen, das ihn an Alan Reynolds von der Fernmeldeabteilung erinnerte, in Wirklichkeit aber zu jemand ganz anderem gehörte? Waren die Männer in dem Lieferwagen in Wirklichkeit bloß ein paar Universitätsstudenten, die von einer Campingreise zurückgekehrt waren? Sie legte die Waffe auf ein kleines Tischchen neben ihrem Sessel und streckte sich. Sie gähnte. Du lieber Gott, sie brauchte jetzt dringend Schlaf.
Und dann krachte plötzlich in einem Regen von Glasscherben und zersplitterndem Holz eine Gestalt durchs Fenster, landete auf den Füßen und ließ ein Seil los. Karin sprang auf, rannte instinktiv nach hinten und tastete mit ihrer bandagierten Hand um sich. In dem Augenblick glitt die nächste Gestalt an dem Seil durchs Fenster und landete neben dem Bett.
»Wer sind Sie?« schrie Karin in deutscher Sprache, versuchte sich zu konzentrieren und erkannte zugleich, daß ihre Waffe auf dem Tischchen lag. »Was wollen Sie hier?«
»Sie sprechen deutsch«, sagte der erste Eindringling, »Sie wissen also, was wir wollen! Warum würden Sie sonst unsere Sprache sprechen?«
»Das ist meine zweite Muttersprache.« Karin bewegte sich langsam auf das Tischchen zu.
»Wo ist er, Frau de Vries?« fragte der zweite Mann drohend, der neben dem Bett stand. »Sie kommen hier nicht raus, das wissen Sie. Unsere Kameraden werden Ihnen den Weg versperren, die kommen jetzt die Treppe hoch. Die haben nur auf unser Signal gewartet.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden! Da Sie wissen, wer ich bin, wissen Sie sicher auch, daß ich mit dem Besitzer der Wohnung eine Affäre habe.«
»Das Bett ist unberührt, da hat niemand drin geschlafen -«
»Wir haben uns gestritten. Er hat zuviel getrunken, und wir haben uns gestritten.« Karin war jetzt nur mehr auf Armeslänge von ihrer Waffe entfernt, und keiner der beiden Eindringlinge hatte bisher die eigene Waffe aus dem Halfter gezogen. »Hatten Sie nie Streit mit Ihrer Frau oder Ihrer Freundin?« Sie stürzte
sich auf die Waffe,
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