Die Lennox-Falle - Roman
Menschenmenge und rückte Moreau auf diese Weise immer näher, was ihm freilich ein paar finstere Blicke von Leuten eintrug, die er etwas unsanft beiseite gestoßen hatte. Schließlich hatte er sein Ziel auf Armeslänge erreicht. »Monsieur, Monsieur!« rief er. »Sie haben etwas fallen lassen.«
» Pardon ?« Moreau blieb stehen und drehte sich um. »Sie müssen sich täuschen, ich habe nichts fallen lassen.«
»Ich bin ganz sicher, daß Sie es waren«, fuhr Kröger in französischer Sprache fort. »Eine Brieftasche oder ein Notizbuch. Ein Mann hat es aufgehoben und ist weggerannt!«
Moreau betastete schnell seine Taschen, dann glätteten sich seine kurzzeitig besorgten Züge wieder. »Sie täuschen sich wirklich«, sagte er. »Ich vermisse nichts, aber ich bin Ihnen trotzdem dankbar. In Paris gibt es viele Taschendiebe!«
»Wie in München auch, Monsieur. Ich bitte um Entschuldigung, aber die Bruderschaft, der ich angehöre, legt großen Wert auf das christliche Gebot der Nächstenliebe.«
»Ah ja, eine christliche Bruderschaft.« Moreau starrte den Mann an, während beiderseits von ihnen Passanten vorbeieilten. »Der Pont Neuf um neun Uhr heute abend«, fügte er dann mit leiser Stimme hinzu. »An der Nordseite.«
Der Pariser Nebel ließ das Spiegelbild des Mondes im Wasser der Seine verschwimmen; ein kurzer Sommerregen stand bevor. Im Gegensatz zur Mehrzahl der Passanten auf der Brücke, die sich beeilten, um dem bevorstehenden Regenguß zu entkommen, gingen die zwei Männer auf dem nördlichen Bürgersteig langsam aufeinander zu. Sie trafen sich in der Mitte, und Moreau ergriff als erster das Wort.
»Sie haben da etwas angedeutet, das mir möglicherweise vertraut ist. Würden Sie das bitte näher erklären?«
»Dafür ist jetzt keine Zeit, Monsieur. Wir wissen beide, wer wir sind und was wir sind. Schreckliche Dinge sind geschehen.«
»Das habe ich auch gehört - übrigens erst heute morgen. Das Beunruhigende daran ist, daß mein Büro nicht informiert wurde. Ich zerbreche mir schon die ganze Zeit den Kopf, warum. Kann es sein, daß einer Ihrer Kuriere indiskret war?«
»Ganz sicher nicht! Unsere Mission, unsere allerwichtigste Mission, besteht jetzt darin, den Amerikaner Harry Lennox zu finden. Das ist noch viel wichtiger als Sie sich vielleicht vorstellen können. Wir wissen, daß die Botschaft ihn mit Hilfe der Antineos irgendwo hier in Paris versteckt hält. Wir müssen ihn finden! Der amerikanische Geheimdienst hält Sie sicherlich auf dem laufenden. Wo ist er?«
»Sie sind mir jetzt gleich ein paar Schritte voraus, Monsieur … wie heißen Sie übrigens? Ich rede nicht mit Männern, deren Namen ich nicht kenne.«
»Kröger, Dr. Gerhard Kröger, und ein Anruf in Bonn wird Ihnen meinen Rang bestätigen!«
»Wie beeindruckend. Und welchen ›Rang‹ bekleiden Sie, Herr Doktor?«
»Ich bin der Arzt, der … der Harry Lennox’ Leben gerettet hat. Und jetzt muß ich ihn finden.«
»Ja, das sagten Sie schon. Es ist Ihnen doch bekannt, daß sein Bruder Drew von Ihrer idiotischen K-Einheit getötet worden ist. Oder wissen Sie das nicht?«
»Das war der falsche Bruder.«
»Ah, so ist das also. Es war aber doch die K-Einheit, Killer, die frisch von der Schulbank kamen, wenn sie je eine Schule besucht haben.«
»Ich verbitte mir Ihre Beleidungen!« rief Kröger wütend. »Offen gestanden, Sie gelten als nicht völlig vertrauenswürdig. Ich rate Ihnen also dringend, mich in jeder Weise zu unterstützen. Andernfalls haben Sie sich die Folgen selbst zuzuschreiben.«
»Ich werde mir ganz bestimmt Mühe geben -«
»Und wenn Sie die ganze Nacht aufbleiben müssen und mit sämtlichen Gewährsleuten sprechen, die Sie haben - Franzosen, Amerikaner, Briten - finden Sie heraus, wo man Harry Lennox versteckt hält! Ich wohne im Lutetia, Zimmer achthundert.«
»Im obersten Stockwerk. Sie müssen ein wichtiger Mann sein.«
»Ich werde nicht schlafen, bis ich von Ihnen gehört habe.«
»Das ist sehr dumm, Doktor. Als Arzt sollten Sie wissen, daß mangelnder Schlaf die Denkfähigkeit beeinträchtigt. Aber da Sie ja so überzeugend sprechen und mir auch so überzeugend drohen, kann ich Ihnen versichern, daß ich mein Möglichstes tun werde, um Sie zufriedenzustellen.«
»Sehr gut«, sagte Kröger. »Ich werde jetzt gehen. Enttäuschen Sie mich nicht; enttäuschen Sie die Bruderschaft nicht, denn Sie wissen, was dann geschehen wird.«
»Ich verstehe.«
Kröger entfernte sich schnell, und bald hatte die
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