Die Lennox-Falle - Roman
nehme ich an. Wie ich häufig unserem erlauchten Kollegen Adam Bollinger sage, hilft es einem gelegentlich, die Dinge aus der richtigen Perspektive zu sehen, wenn man kräftig lacht.«
»Das gebe ich ja zu, mein Freund. Mir ist nur im Augenblick gar nicht nach Lachen zumute. Haben Sie das Neueste aus Paris gehört?«
»Nicht, wenn es in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert ist.«
»Dann hören Sie es jetzt. Karin de Vries ist verschwunden. Die Neonazis haben sie entführt.«
»Oh, mein Gott!«
»Der ist offensichtlich nicht zur Stelle, wenn man Ihn braucht.«
»Was sagt Witkowski?«
»Er macht sich wegen Lennox Sorgen. Er hat gesagt, Drew mache zwar den Eindruck, sich im Griff zu haben. Er ist aber überzeugt, daß er uns damit etwas vorspielt.«
»Wieso?«
»Weil er darauf bestanden hat zu erfahren, wem gegenüber man seine Identität preisgegeben hat.«
»Das ist doch ein ganz vernünftiger Wunsch, würde ich sagen. Schließlich ist er der Köder.«
»Sie hören nicht richtig zu, Knox. Ich habe gesagt ›darauf bestanden‹, und Stanley hat keinen Zweifel daran gelassen, daß Lennox das geradezu ultimativ gefordert hat.«
»Ich kann immer noch nicht erkennen, wieso das darauf hindeuten sollte, daß er nicht mehr weiß, was er tut.«
»Wir beide sind schon zu lange verheiratet, um uns noch daran zu erinnern. Er ist verliebt, alter Junge. Das kam vielleicht ein wenig spät, aber wahrscheinlich zum ersten Mal. Man hat ihm seine Lady weggenommen, und Lennox hat eine Spitzenausbildung durchgemacht. Er ist die reinste Kampfmaschine. In seinem Alter hält man sich häufig für unbesiegbar. Er will sie wiederhaben.«
»Ich verstehe, Wes. Was können wir tun?«
»Zuerst muß er etwas tun, das uns den Vorwand liefert, ihn aus dem Verkehr zu ziehen.«
»Aus dem Verkehr …?«
»Wenn wir ihn schon nicht in eine Gummizelle sperren, dann müssen wir ihn wenigstens aus Paris entfernen. Er nützt niemandem, wenn der Köder zum Jäger wird.«
»Ich war der Ansicht, er würde beobachtet, stehe dauernd unter Bewachung?«
»Das hat man mit seinem Bruder Harry auch gemacht, und er ist aus dem Tal der Bruderschaft entkommen. Sie sollten die Talente der Lennox-Brüder nicht unterschätzen. Andererseits sind Witkowski und Moreau auch nicht gerade heurige Hasen.«
»Ich weiß nicht, was das in diesem Zusammenhang bedeuten soll, aber ich nehme an, es soll mich beruhigen.«
»Das hoffe ich sehr«, sagte Sorenson.
Drew studierte im grellen Licht der Schreibtischlampe die Namen. Witkowskis Liste mit möglichen undichten Stellen enthielt sieben Namen, darunter auch die Antineos, und auf Moreaus Liste standen neun, drei davon Deputiertevom Quai d’Orsay, die Moreau für Faschisten hielt. Auf Stanleys Liste standen einige Attachés, denen das Verbreiten von Gerüchten zur zweiten Natur geworden war und die mehr Zeit damit verbrachten, sich bei einflußreichen französischen Geschäftsleuten einzuschmeicheln, als sich um ihre Arbeit zu kümmern; zwei Sekretärinnen, deren häufige Abwesenheit auf Alkoholprobleme deutete, und ein Pater Manfred Neumann vom Maison Rouge der Antineos. Neben den Deputierten vom Quai d’Orsay enthielt Moreaus Liste noch die üblichen bezahlten Spitzel, deren oberste Loyalität ohne Rücksicht auf Ideologie und Moral dem Geld galt.
Lennox ging daran, die Listen zusammenzustutzen und strich zunächst Moreaus Informanten - er hätte nicht gewußt, wie er mit ihnen Verbindung aufnehmen sollte - sowie zwei der Deputierten; den dritten hatte er schon bei diplomatischen Veranstaltungen gesehen. Er würde den Mann anrufen und gut zuhören, was er zu sagen hatte. Witkowskis Liste war einfacher, weil er vier der Leute flüchtig aus der Botschaft kannte. Die übrigen zwei, beides Frauen, beide vermutlich Alkoholikerinnen, konnte er, wie die Dinge standen, einfach anrufen, er brauchte dazu bloß ihre Telefonnummer.
»Stanley, ich bin so froh, daß Sie noch arbeiten. Sie haben nämlich bei Ihren sieben Kandidaten etwas vergessen.«
»Was soll das jetzt wieder heißen?« ereiferte sich Witkowski. »Das sind die Leute, denen wir Ihren Namen genannt haben.«
»Wir? Wer sonst noch?«
»Meine Sekretärin, die von der alten G-2 mitgekommen ist, ein ehemaliger Sergeant, die ich zum Leutnant befördert habe, ehe sie den Militärdienst quittiert hat.«
»Sie? Eine Frau?«
»Ja. Ihr Mann war Berufssoldat und ist nach dreißig Dienstjahren pensioniert worden; er war damals erst dreiundfünzig. Die
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