Die Lennox-Falle - Roman
welche Funktion hat er? Oder ist das schon alles? Die Informationen und ein Beweis deiner Theorien für künftigen Einsatz.«
»Was wir von ihm erfahren, wird natürlich großen Wert haben und wird den Einsatz eines miniaturisierten Computers auf kurze Distanz erfordern. Der Computer ist so klein, daß man ihn ohne Mühe in einem kleinen Gegenstand verbergen kann. Aber Harry Lennox hat eine viel wichtigere Mission zu erfüllen. Du erinnerst dich vielleicht daran, ich erwähnte dir gegenüber, daß er unsere Feinde in alle Himmelsrichtungen scheuchen wird. Aber das ist eigentlich nur die Spitze des Eisbergs.«
»Jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter, Gerhard, ich merke ja, wie begeistert du bist.«
»Während der Wochen, die er hier verbracht hat, bei unseren Sitzungen und bei den gemeinsamen Mahlzeiten, haben wir ihm Hunderte von Namen eingespeist - Franzosen, Deutsche, Engländer, Amerikaner.«
»Was für Namen?« fragte Traupmann ungeduldig.
»Jene Männer und Frauen in Deutschland und im Ausland, die uns im stillen unterstützen, die wesentliche Beiträge zu unserer Sache leisten. Im wesentlichen Leute von Einfluß und Macht, die für die Bruderschaft tätig sind.«
»Bist du wahnsinnig?«
»Zu dieser stummen Elite im Untergrund«, fuhr Kröger fort, als hätte er Traupmanns heftigen Einwurf nicht gehört, »gehören amerikanische Kongreßabgeordnete, Senatoren und Spitzenmänner der Wirtschaft und der Medien. Ebenso Angehörige des britischen Establishments, ähnlich der Cliveden-Clique, die
Hitler in England unterstützt hat, sowie maßgebende Leute im britischen Geheimdienst -«
»Du mußt völlig übergeschnappt sein -«
»Bitte, Hans, laß mich ausreden … In Paris haben wir einflußreiche Sympathisanten am Quai d’Orsay, der Deputiertenkammer und sogar im Deuxième Bureau. Und schließlich in Deutschland selbst eine Anzahl der angesehensten Leute in Bonn. Lennox hat alle diese Informationen und sämtliche Namen. Als ausgebildeter Spezialist für nachrichtendienstliche Einsätze im Untergrund wird er den größten Teil davon an seine Vorgesetzten berichten.«
»Du mußt wirklich völlig den Verstand verloren haben. Ich werde das nicht zulassen!«
»Oh doch, das mußt du wohl. Du mußt wissen, alles, was Harry Lennox aus unserem Tal hinausträgt, mit Ausnahme einiger echter Gefolgsleute, die wir aus Gründen der Glaubwürdigkeit opfern müssen, ist falsch. Die Namen, die er sich eingeprägt hat, sind tatsächlich für uns sehr wichtig, aber nur in dem Sinne, daß diese Leute diskreditiert, ja unschädlich gemacht werden sollen. Diese Leute sind nämlich in Wirklichkeit Gegner von uns. Sobald ihre Namen in aller Stille den internationalen Nachrichtendiensten, die ja alle miteinander vernetzt sind, zur Kenntnis gebracht wurden, wird die Hexenjagd ihren Anfang nehmen. Und wenn dann die aufrichtigsten von ihnen infolge öffentlichen Verdachts und konstruierten Andeutungen stürzen, werden unsere Leute das so entstehende Vakuum füllen … ja, unsere Jünger, Hans. Ganz besonders in Amerika, dem mächtigsten unserer Feinde, weil man dort für solche Dinge am empfänglichsten ist. Man braucht sich ja nur an die hektischen Kommunistenjagden der vierziger und fünfziger Jahre zu erinnern. Die USA waren damals eine vor Angst förmlich gelähmte Nation. Tausende und Abertausende wurden verdächtigt, unter sowjetischem Einfluß zu stehen. Ganze Industriezweige erlagen dem allgemeinen Verfolgungswahn, und das Land wurde von innen heraus geschwächt. Die Kommunisten wußten, wie man so etwas macht; Moskau hat, wie wir inzwischen erfahren haben, den Eiferern damals insgeheim das Geld und die falschen Informationen zugespielt … Ein einziger Mann kann diesen
ganzen Prozeß für uns in Gang setzen: Harry Lennox, Deckname Sting.«
» Mein Gott! « Traupmann sank in seinen Stuhl zurück, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ein brillanter Plan. Weil er der einzige ist, der bis zum Kern vorgedrungen ist und das Tal gefunden hat. Sie werden ihm glauben müssen - überall .«
»Er wird heute nacht entkommen.«
4
H einrich Kreitz, der deutsche Botschafter in Frankreich, war ein kleiner, schlanker Mann von siebzig Jahren. Er hatte ein asketisches Gesicht, seidiges weißes Haar, traurig blickende, braune Augen und eine stets sorgenvoll gefurchte Stirn. Kreitz war jahrelang an der Universität Wien Professor für europäische Politik gewesen und hauptsächlich wegen seiner zahlreichen Arbeiten,
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