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Die Lennox-Falle - Roman

Die Lennox-Falle - Roman

Titel: Die Lennox-Falle - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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die sich mit der Geschichte der internationalen Beziehungen im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert befaßten, für den diplomatischen Dienst rekrutiert worden. Diese Arbeiten, die gesammelt in Buchform erschienen waren und den Titel ›Dialog zwischen Nationen‹ trugen, waren Pflichtlektüre für Diplomaten in siebzehn Sprachen und an den Universitäten der zivilisierten Welt.
    Es war 9.25 Uhr, und Kreitz, der vor dem Schreibtisch des amerikanischen Botschafters saß, starrte stumm Drew Lennox an, der links neben Botschafter Courtland stand. Auf einer Couch an der Wand saß Moreau vom Deuxième Bureau. »Ich schäme mich der Schuld meines Landes«, sagte Kreitz schließlich, und seine Stimme klang so traurig wie seine Augen blickten, »der Schuld, die darin besteht, daß wir je zugelassen haben, daß solche Ungeheuer, solche Verbrecher, jemals unser Land beherrscht haben. Wir werden uns noch mehr bemühen müssen, wenn das überhaupt möglich ist, sie auszurotten und zu vernichten. Bitte verstehen Sie, meine Herren, meine Regierung hat es sich zur vornehmsten Aufgabe gemacht, diese Leute zu entlarven und sie auszuschalten. Sie wissen alle, daß wir uns ihre Existenz einfach nicht leisten können.«
    »Das wissen wir, Monsieur l’Ambassadeur «, sagte Claude Moreau von seinem Platz auf der Couch aus. »Aber allem Anschein nach ist die Art und Weise, wie Sie dabei vorgehen, wenig effektiv. Ihre Polizei kennt die Anführer dieser Fanatiker in einem Dutzend Städten. Warum sperrt man sie nicht ein?«

    »Wo man ihnen Gewalttätigkeiten nachweisen kann, tut man das. An unseren Gerichten sind zahlreiche Verfahren dieser Art anhängig. Aber soweit es um die Meinungsfreiheit Andersdenkender geht, müssen Sie bedenken, daß wir auch eine Demokratie sind; wir haben die gleiche Redefreiheit, die Ihnen hier in Frankreich Ihre friedlichen Streiks und den Amerikanern ihr Versammlungsrecht gewährleistet, was häufig zu Märschen auf Washington führt, wo Männer und Frauen ihren Gefolgsleuten flammende Reden von Rednertribünen und - wie sagt man da? oh, ja - ›Seifenkisten‹ halten. Die Gesetze Ihrer beiden Länder enthalten das Recht, auf so drastische Weise in Opposition zur Regierung zu treten. Sollen wir also jeden zum Schweigen bringen, der anderer Meinung ist, als die Regierung in Bonn, darunter auch diejenigen, die gegen die Neonazis demonstrieren?«
    » Nein , verdammt!« schrie Lennox. »Aber Sie bringen sie ja zum Schweigen! Wir haben keine Konzentrationslager gebaut und keine Gaskammern und auch nicht den Genozid eines ganzen Volkes betrieben!«
    »Ja, zu unserer Schande muß ich gestehen, daß wir das zugelassen haben … genauso wie Sie zugelassen haben, daß eine Rasse versklavt wurde, und Sie untätig zugesehen haben, wie man in Ihren Südstaaten Schwarze zu Zehntausenden an Bäumen aufgehängt hat, und die Franzosen haben genau dasselbe in Äquatorialafrika und in ihren Kolonien im Fernen Osten getan. In uns allen steckt das Schreckliche genauso wie das Anständige. Das beweist die Geschichte aller Nationen.«
    »Das ist nicht nur Unsinn, Heinrich, es hat auch hier nichts zu suchen. Und das wissen Sie ganz genau«, sagte Botschafter Courtland mit überraschendem Nachdruck. »Ich weiß das, weil ich Ihr Buch gelesen habe. Sie haben das ›die Perspektive der historischen Realität‹ genannt. Das, was jeweils für die Wahrheit gehalten wurde. Damit kann man das Dritte Reich nicht rechtfertigen.«
    »Das habe ich nie getan, Daniel«, erwiderte Kreitz. »Ich habe das Dritte Reich lautstark dafür verdammt, daß es falsche Wahrheiten geschaffen hat, Wahrheiten, die einer gedemütigten, verwüsteten Nation nur zu leicht eingingen. Die Mythologie der
Nazis war ein Rauschmittel, das sich ein schwaches, seiner Illusionen beraubtes, ausgehungertes Volk ohne nachzudenken in seine Venen spritzte. Habe ich es nicht so formuliert?«
    »Ja, das haben Sie«, gab der amerikanische Botschafter zu. »Sagen wir mal, ich wollte Sie nur daran erinnern.«
    »Das habe ich verstanden. Aber ebenso wie Sie die Interessen Washingtons schützen müssen, habe ich meine Verpflichtungen gegenüber Bonn … Wo stehen wir also? Wir wollen alle dasselbe.«
    »Ich schlage vor, Monsieur l’Ambassadeur «, sagte Moreau und erhob sich von der Couch, »daß Sie mir gestatten, eine Anzahl der höherrangigen Attachés in Ihrer Botschaft überwachen zu lassen.«
    »Abgesehen davon, daß das eine Verletzung der diplomatischen Immunität seitens

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