Die Lennox-Falle - Roman
sich nach dem alten Jodelle?« wollte der Mann wissen.
»Ich muß ihn finden, Monsieur«, erwiderte Villier mit bebender Stimme. »Er schuldet mir Geld, wissen Sie, und ich suche ihn jetzt schon seit drei Tagen.«
»Ich fürchte, das Geld werden Sie nicht mehr kriegen. Lesen Sie denn keine Zeitung?«
»Warum soll ich das wenige Geld, das ich habe, den Verlegern in den Rachen werfen?«
»Ein alter Landstreicher, den man als Jodelle identifiziert hat, hat sich gestern abend in einem Theater umgebracht.«
»Oh, der Mistkerl! Er war mir sieben Francs schuldig.«
»Wer sind Sie, alter Mann?« fragte der andere und trat näher an Jean-Pierre heran und musterte ihn im schwachen Licht der Gasse.
»Ich bin Auguste Renoir, und ich male Bilder. Und manchmal bin ich Monsieur Monet und häufig auch der Holländer Rembrandt. Und im Frühling möchte ich gerne Georges Seurat sein; und im Winter der Krüppel Toulouse-Lautrec - all die warmen Bordelle. Museen sind wunderschön, wenn es regnet und draußen kalt ist.«
»Ach, Sie sind ein alter Narr!« Der Mann drehte sich um und ging den Weg zurück, den er gekommen war, und Villier humpelte schnell hinter ihm her.
»Monsieur!« rief der Schauspieler.
»Was?« Der Mann blieb stehen.
»Da Sie mir diese schreckliche Nachricht gebracht haben, denke ich, sollten Sie mir die sieben Francs zahlen.«
»Warum? Was ist denn das für eine Logik?«
»Sie haben mir meine Hoffnung gestohlen.«
»Was habe ich gestohlen …?«
»Meine Hoffnung, meine Erwartung. Ich habe Sie nicht nach Jodelle gefragt, Sie sind auf mich losgegangen. Woher wußten Sie denn, daß ich ihn suche?«
»Weil Sie kurz zuvor seinen Namen gerufen haben.«
»Und unter einem so trivialen Vorwand dringen Sie in mein Leben ein und zerstören meine Erwartungen? Vielleicht sollte ich fragen, wer Sie sind, Monsieur. Sie sind viel zu teuer gekleidet, um mit meinem Freund Jodelle bekannt zu sein - diesem Mistkerl! Was bedeutet Ihnen Jodelle? Warum haben Sie sich eingemischt?«
»Sie sind nicht ganz bei Trost«, sagte der Mann und griff in die Tasche. »Da, haben Sie zwanzig Francs und entschuldigen Sie, daß ich in Ihr Leben getreten bin.«
»Oh, vielen Dank, vielen Dank, mein Herr, danke!« Jean-Pierre wartete, bis der neugierige Fremde die Gasse verlassen hatte und rannte dann hinter ihm her, spähte um die Ecke, als der Mann auf einen Wagen zuging, der zwanzig Meter entfernt am Bordstein parkte. Wieder war Villier ganz der zerlumpte Vagabund, als er auf dem Bürgersteig taumelte und dann wie ein verwachsener Hofnarr herumzuhüpfen begann und seinem Wohltäter nachrief. »Möge Gott Sie lieben und möge der heilige Jesus Sie umarmen, Monsieur! Möge das Paradies -«
»Laß mich in Ruhe, du versoffener alter Penner!«
Oh, das werde ich ganz bestimmt , dachte Jean-Pierre und prägte sich die Zulassungsnummer des Peugeot ein, der sich jetzt in Bewegung setzte.
Am späten Nachmittag fuhr Lennox zum zweiten Mal innerhalb von achtzehn Stunden mit dem Fahrstuhl ins Kellergeschoß der Botschaft, diesmal freilich nicht, um die Fernmeldezentrale aufzusuchen, sondern die sakrosankte Abteilung Dokumente und Recherchen. Ein Sergeant der Marines saß an einem Tisch rechts von der Stahltür; als er Drew erkannte, lächelte er.
»Wie ist denn das Wetter oben, Mr. Lennox?«
»Nicht so kühl und sauber wie hier unten bei Ihnen, Sergeant, aber Sie haben hier schließlich die teuerste Klimaanlage im ganzen Gebäude.«
»Wir sind hier unten sehr empfindlich. Wollen Sie Zutritt zu unserer Halle der Geheimnisse und der harten Pornovideos?«
»Zeigen die gerade schmutzige Filme?«
»Wir nehmen hundert Franc pro Platz, aber Sie lasse ich gratis rein.«
»Ich habe schon immer viel von den Marines gehalten.«
»Weil Sie das gerade sagen, meine Kumpels lassen für die Gratisdrinks danken, die Sie für uns in diesem Café in der Grenelle spendiert haben.«
»War mir ein Vergnügen. Man kann ja nie wissen, wann man sich einen Porno reinziehen möchte … Übrigens, die Leute, denen das Café gehört, sind alte Freunde von mir, und Sie und Ihre Freunde hatten da eine recht beruhigende Wirkung auf ein paar unangenehme Stammgäste.«
»Yeah, das sagten Sie schon. Wir waren richtig rausgeputzt mit sämtlichem Lametta, wie zur Parade.«
»Sergeant«, sagte Drew und sah ihn dabei an. »Kennen Sie eine Karin de Vries in D und R?«
»Nur soweit, daß ich ›Guten Morgen‹ und ›Gute Nacht‹ sage. Mehr nicht. Das Mädchen sieht
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