Die Lennox-Falle - Roman
quälten.
Die schrille Glocke des Telefons weckte ihn; er schoß in die Höhe, griff nach dem Hörer. »Ja?«
»Ich bin’s«, sagte Karin. »Ich spreche vom Telefon des Colonel aus.«
Lennox und rieb sich mit der linken Hand den Schlaf aus den Augen. »Ist Witkowski da?«
»Ich dachte schon, daß Sie das fragen würden. Hier ist er.«
»Hallo, Drew.«
»Die Anschläge auf mich nehmen zu, Stosh.«
»Ja, scheint so«, pflichtete der alte G-2-Mann ihm bei. »Bleiben Sie im Untergrund, bis die Dinge etwas klarer sind.«
»Wie klar müssen sie denn sein? Die wollen mich ausschalten, Stanley!«
»Dann müssen wir sie überzeugen, daß das für den Augenblick nicht zu ihrem Vorteil ist. Sie müssen Zeit gewinnen.«
»Wie zum Teufel stellen wir das aber an?«
»Um die Frage zu beantworten, muß ich mehr wissen, als ich im Augenblick weiß, aber im Grunde genommen, muß man denen einfach klarmachen, daß Sie lebend wertvoller sind als tot.«
»Was müssen Sie denn wissen?«
»Alles. Sorenson ist Ihr Chef, Ihr oberster Führungsoffizier. Ich kenne Wesley, nicht besonders gut, aber wir sind miteinander bekannt. Also nehmen Sie mit ihm Verbindung auf, lassen Sie sich von ihm eine Freigabe für mich geben und bringen Sie mich auf neuesten Stand.«
»Ich brauche nicht mit ihm Verbindung aufzunehmen. Es geht hier um mein Leben, und deshalb treffe ich die Entscheidung hier an Ort und Stelle. Machen Sie sich Notizen und verbrennen Sie sie dann, Colonel.« Lennox fing ganz von vorne an, berichtete von Harrys Verschwinden in den Tauern, seiner Gefangennahme und seiner anschließenden Flucht, den verschwundenen Akten in Washington, die sich mit einem nicht identifizierten französischen General befaßten, und schließlich von Jodelle, seinem Selbstmord im Theater und seinem Sohn, Jean-Pierre Villier. An dem Punkt unterbrach Stanley Witkowski ihn.
»Der Schauspieler?«
»Genau den meine ich. Er war so verrückt, auf eigene Faust in der Maske eines Clochards loszuziehen und hat Informationen gebracht, die möglicherweise wertvoll sein könnten.«
»Dann war der alte Mann tatsächlich sein Vater?«
»Das ist mehrfach bestätigt. Er war Angehöriger der Résistance und wurde von den Deutschen gefangen und ins KZ geschickt, wo er den Verstand verlor - fast völlig.«
»Fast völlig? Was soll das bedeuten? Entweder ist man verrückt oder man ist es nicht.«
»Ein kleiner Teil von ihm war es nicht. Er wußte, wer er war … was er war … und hat beinahe fünfzig Jahre lang nie den Versuch gemacht, mit seinem Sohn Verbindung aufzunehmen.«
»Hat denn nie jemand versucht, mit ihm Verbindung aufzunehmen?«
»Man hat ihn für tot gehalten wie Tausende andere, die nie zurückgekehrt sind.«
»Aber das war er nicht«, sagte Witkowski nachdenklich, »nur geistig ein Krüppel und zweifellos auch körperlich ein Wrack.«
»Kaum zu erkennen, habe ich gehört. Trotzdem konnte er einfach nicht aufhören, Jagd auf einen General zu machen, der die Ermordung seiner Familie angeordnet hatte, und dessen Name mit den Akten verschwunden ist. Villier hat das bestätigt; er hat erfahren, daß es jemand im Loiretal war, und dort wohnen vierzig oder fünfzig pensionierte Generäle, gewöhnlich in bescheidenen Landhäusern oder in größeren Villen, die anderen gehören. Das war seine Information, das und das Kennzeichen eines Fahrzeugs, dessen Fahrer ihn aufgestöbert hatte, weil er zu viele Fragen stellte.«
»Was ich nicht ganz verstehe … Jodelle hat etwas in Erfahrung gebracht und sich dann vor seinem Sohn, der von ihm nichts ahnte, umgebracht und dabei hinausgebrüllt, daß er sein Vater sei. Warum?«
»Ich denke, weil ihm das, was er in Erfahrung gebracht hat, einfach übermächtig erschien. Bevor er sich die Gewehrmündung in den Mund gesteckt und die Schädeldecke weggeblasen hat, schrie er, er habe versagt und seinen Sohn und seine Frau im Stich gelassen. Seine Niederlage war total.«
»Ich habe in der Zeitung gelesen, daß Villier dieses Stück ›Coriolanus‹ abgebrochen hat, ohne Angabe von konkreten Gründen. Nur weil der Selbstmord des alten Mannes ihn so mitgenommen habe. Der Artikel klang ziemlich verworren; man konnte meiner Ansicht nach zwischen den Zeilen lesen, daß er über Dinge Bescheid weiß, zu denen er sich nicht äußern wollte.«
»Und das alles macht Villier im gleichen Maße zu einer Zielscheibe wie mich, und das habe ich Ihrer Angestellten, Mrs. de Vries, klarzumachen versucht.«
»Das ist verrückt!
Weitere Kostenlose Bücher