Die Lennox-Falle - Roman
computerisierten elektronischen Impulsen reagiert. Ausgezeichnet!
Harry Lennox legte in seinem Zimmer im Hotel Gloucester den Telefonhörer auf. Ein Gefühl wohliger Wärme breitete sich in ihm aus, angenehme Erinnerungen an schöne Stunden in einer Welt, die den Verstand verloren hatte. Er war ein eingefleischter Junggeselle und hatte schon vor langem erkannt, daß es viel zu spät war, sich einem anderen Menschen anzupassen, aber wenn es je eine Frau gegeben hatte, die Zweifel an diesem Entschluß in ihm wachrufen konnte, dann war das die Frau von Frederik de Vries. Karin. Freddie de Vries war in den Jahren des Kalten Krieges sein bester Mann gewesen, aber Harry hatte auch den einen Makel in ihm entdeckt, der ihn zu etwas Besonderem machte.
Einfach ausgedrückt war dieser Makel Haß - ungezähmter, leidenschaftlicher Haß. Lennox hatte ständig versucht, de Vries klarzumachen, daß er seine Emotionen in den Griff bekommen und die Dinge objektiv betrachten müßte. Er hatte ihn immer wieder gewarnt, daß der Haß in ihm eines Tages eine Explosion auslösen und zu seiner Entdeckung führen könnte. Doch das war vergebliche Liebesmüh, denn Freddie war wie ein Dämon, ließ sich einfach auf dem Wellenkamm treiben und hatte kein Verständnis für die Mächte in der Tiefe darunter, zog die glänzende Wehr eines surfenden Siegfried der Kraft eines unsichtbaren Neptun in der Tiefe vor.
Seine Frau Karin verstand ihn. Wie oft hatten sie und Harry sich allein in Amsterdam unterhalten, während Freddie ›draußen‹ die Rolle des Diamantenhändlers spielte und damit immer wieder seine Gegenspieler übertölpelte, bis sie sich ihm offenbarten. Und sein Haß war am Ende sein Untergang gewesen, weil er ihn dazu bewogen hatte, einen Mord zuviel zu begehen.
Nach Freddies Tod hatte Harry versucht, Karin zu trösten, aber es war ihm nicht gelungen. Sie wußte nur zu gut, was dazu geführt hatte und schwor, daß sie anders als ihr Mann vorgehen würde.
»Vergiß es!« hatte Harry sie angefahren. »Was du tust, wird überhaupt nichts ändern, verstehst du das nicht?«
»Nein, das verstehe ich nicht«, hatte sie erwidert. »Nichts zu unternehmen heißt zuzugeben, daß Freddie mir nichts bedeutet hätte. Kannst du das nicht verstehen, Harry?«
Darauf hatte er keine Antwort gewußt. Das einzige, was er hätte tun können und wozu es ihn gedrängt hatte, war diese Frau, die so tiefe Gefühle in ihm wachrief, in die Arme zu nehmen. Aber das war nicht die Zeit dafür gewesen und vielleicht würde es nie eine solche Zeit geben. Sie hatte mit ihrem toten Freddie gelebt, ihren toten Freddie geliebt. Harry Lennox war der Führungsoffizier ihres Mannes gewesen, aber er war nicht seinesgleichen.
Und jetzt, beinahe fünf Jahre später, war sie von Paris aus wieder in sein Leben getreten. Und, was noch bemerkenswerter war, als Schutzengel seines Bruders Drew, dem der Tod von Mörderhand drohte! Herr im Himmel … nein, er mußte sich zusammenreißen,
ganz ruhig sein, den kühlen Kopf bewahren, für den er berühmt war. Vielleicht war es der immer stärker werdende Schmerz in seinem Kopf, der seine Wut an die Oberfläche dringen ließ. Trotzdem würde er gleich morgen mit einer Diplomatenmaschine nach Paris fliegen und sich auf einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Teil des De-Gaulle-Flughafens mit Karin treffen, die ihn dort in einem Wagen der Botschaft abholen würde.
Er überlegte, was er zu ihr sagen würde. Würde er so unvernünftig sein, Dinge zu sagen, die besser ungesagt blieben? Der Schmerz in seinem Kopf wollte nicht aufhören, dröhnte, pochte. Er ging ins Bad, drehte den Wasserhahn auf und nahm wieder zwei Aspirin. Als er in den Spiegel sah, fiel ihm auf, daß sich über seiner Schläfe, halb vom Haaransatz verdeckt eine Art heller Schorf gebildet hatte. Diese ganze nervliche Anspannung war also doch nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Ein leichtes Antibiotikum oder ein paar Tage Ruhe sollten das wieder verschwinden lassen. Vielleicht half sogar der Anblick von Karin de Vries ein wenig.
Es klopfte an der Tür, wahrscheinlich ein Zimmermädchen oder der Etagenkellner. Es begann Abend zu werden und die besseren Hotels von London boten immer noch makellosen Service. Früher Abend, sinnierte er, als er ins Wohnzimmer seiner Suite ging. Wie schnell der Tag doch dahingegangen war? Dahingegangen? Vergeudet war eine bessere Formulierung, denn er hatte zehn Stunden damit verbracht, sich von seinem Tribunal verhören zu
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