Die Lennox-Falle - Roman
paar Knöpfe, ließ ein Band zurücklaufen und vergewisserte sich von der Qualität der Aufnahme. Dann nahm er den Telefonhörer ab und wählte Marktroda in Deutschland.
»Wolfsbau«, meldete sich eine ruhige Stimme.
»Hier Spottdrossel.«
»Bringen Sie bitte Ihr Störgerät an.«
»Ja, sofort.« Der Mann, der sich Peter nannte, löste vorsichtig einen dünnen Draht aus seiner Anlage, an dessen Spitze eine Krokodilklemme befestigt war, und wickelte ihn um die Telefonschnur, bis in der Leitung ein kurzes Störgeräusch zu hören war. »Auf meiner Seite ist alles klar. Wie sieht es bei Ihnen aus?«
»Klar. Sprechen Sie.«
»Spottdrossel, wenn ich mich richtig erinnere«, begann die Tonbandaufnahme. Der Mann, der die Suite unter der Harry Lennox’ bewohnte, spielte das Band bis zum Ende ab. »Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Harry … Geben Sie nicht mir die Schuld, geben Sie sie Washington.«
»Und wie ist Ihre Beurteilung?« fragte Lennox’ Besucher.
»Es ist gefährlich«, sagte Gerhard Kröger. »Wie die meisten Under-Cover-Agenten bewegt er sich im Unterbewußtsein von einer Identität zur anderen. Er hat es selbst gesagt: ›Ich muß Alexander Lassiter aus meiner Psyche löschen.‹ Er war zu lange Lassiter und kämpft jetzt darum, wieder er selbst zu werden. Es ist ganz und gar nicht ungewöhnlich, daß sich aus einer Doppelrolle eine doppelte Persönlichkeit entwickelt.«
»Er hat innerhalb von zwei Tagen erreicht, was Sie von ihm verlangt haben. Die Liste selbst hat bereits ausgereicht, unsere Feinde in eine Art kollektiven Schockzustand zu versetzen. Sie wollen die Information, die er ihnen gebracht hat, nicht glauben. Das verkünden sie lautstark, aber zugleich haben sie Angst davor, sie abzulehnen. Ich könnte ihn mit einem einzigen Schuß im Flur erledigen. Soll ich das tun?«
»Das würde der Namensliste Glaubwürdigkeit verleihen, aber nein, jetzt noch nicht. Sein Bruder hat sich auf die Spur dieses senilen Penners Jodelle gesetzt, und das könnte für uns katastrophal sein. So sehr es mich auch quält, die Entwicklung meines
Patienten nicht weiter verfolgen zu können, die Bewegung hat Vorrang, und ich muß das Opfer bringen. Alexander Lassiter wird uns zu dem anderen Störenfried Lennox führen. Töten Sie sie beide.«
Harry Lennox und Karin de Vries hielten einander umarmt wie Geschwister das nach langer Trennung tun. Dann nahm Karin Harry am Arm und führte ihn zu der Diplomatenlounge, wo Harry schnell abgefertigt wurde, und dann auf den Sonderparkplatz, auf dem es von uniformierten Wachmännern wimmelte. Der Wagen, in dem Karin gekommen war, war ein unauffälliger, schwarzer Renault. Sie setzte sich ans Steuer, und Harry ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder.
»Für einen Fahrer sind wir wohl nicht wichtig genug?« fragte Lennox.
»Sagen wir besser, man hat uns keinen erlaubt«, erwiderte Karin.
»Ich freue mich so, dich zu sehen«, sagte Harry mit bewegter Stimme.
»Mir geht es genauso, Harry. Seit ich erfahren habe, daß die Bruderschaft über dich informiert ist, habe ich mir so schreckliche Sorgen gemacht -«
»Die wußten über mich Bescheid?« fiel Lennox ihr ins Wort, und seine Augen weiteten sich erstaunt. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
»Doch, Harry. Ich habe Drew erklärt, wie ich daraufgekommen bin.«
»Du?«
»Ich nahm an, dein Bruder hätte es weitergegeben.«
»Herrgott, ich kann nicht mehr klar denken!« Lennox fuhr sich mit beiden Händen an den Kopf, preßte sie gegen die Schläfen und drückte seine Augen so zu, daß die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln deutlich hervortraten.
»Du hast so viel durchgemacht, und es hat so lange gedauert. Wir bringen dich zu einem Arzt.«
»Nein. Ich bin Alexander Lassiter - ich war Alexander Lassiter, das ist alles, was die von mir wissen.«
»Ich fürchte, das stimmt nicht, Harry.« Karin musterte ihren alten Freund und war plötzlich beunruhigt. An seiner linken Schläfe zeichnete sich ein rotes Mal ab, das zu pulsieren schien. »Ich habe dir deinen Lieblingscognac mitgebracht, damit wir feiern können, Harry. Die Flasche ist im Handschuhfach. Nimm einen Schluck, das sollte dich beruhigen.Wir treffen uns mit Drew in einem alten Landgasthof am Rande von Villejuif. Die Antineos haben nicht erlaubt, daß wir uns in dem Safehouse mit ihm treffen. Beruhige dich, Harry.«
»Ja, ja, meine Liebe, weil du nämlich unrecht hast. Mein Bruder wird es dir sagen, Gerhard Kröger wird es dir sagen, daß ich Alexander
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