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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chadwick Elizabeth
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diesen Brief zu zeigen. Du weißt ja, wie schwer es ihm fällt,
mit Feder und Pergament umzugehen.
    Ich hoffe zu Gott,
diese Belagerung wird bald zu Ende sein. Wenn nicht, werde ich noch
wahnsinnig. Hier gibt es nichts weiter zu tun, als in einem zugigen
Zelt herumzulungern. Während ich beobachte, wie ringsum alles
verschimmelt und verrostet, wickle ich mich ganz fest in meinen Umhang
und versuche, mich warm zu halten. Nun, ich entsinne mich anderer
Methoden, warm zu bleiben, zum Beispiel, mit Dir im Bett zu liegen, und
ich kann nicht sagen, ob die Erinnerung schön oder schmerzlich ist.
    Geschrieben in Lincoln am 1. Februar im Jahr des Herrn 1141.«
    Renard
legte den Federkiel, der bereits zu splittern begann, beiseite und
winkte Owain zu sich. Der Junge hatte gerade eine eiserne Lanzenspitze
eingeölt, und nun wurde er in den stürmischen Schneeregen geschickt, um
einen Boten zu suchen.
    Während Renard Sand auf das
Pergament streute und das Wachs für das Siegel zu schmelzen begann, goß
sich Harry auf der anderen Seite des Zelts noch einen Becher ein und
schaute ihn mit glasigen Augen an. »Hast du Eleanor noch um ein Oxhoft
Wein gebeten?«
    Â»Ja.« Renard warf seinem Bruder einen kühlen Blick zu.
    Â»Sehr gut«, meinte Harry und nahm einen lauten, schmatzenden Schluck.
    Â»Ob ich selber etwas davon trinken werde, ist eine andere Frage«, fügte Renard bissig hinzu.
    Der
Geruch des heißen Wachses breitete sich in der abgestandenen Luft des
Zeltes aus. Harry wischte sich mit seinem Ärmel den Mund ab. »Mißgönnst
du mir etwa hier und da einen kleinen Becher?«
    Â»Hier
und da einen kleinen Becher? Keineswegs«, erwiderte Renard im selben
schneidenden Ton wie zuvor. Neuerdings leerte sein Bruder keine Becher,
sondern ganze Karaffen.
    Â»Der Wein lindert die Schmerzen in meinen Wunden â€“ in sämtlichen Wunden.« Harry zeigte auf den Brief. »Hast du ihr alles erzählt?«
    Renard
wickelte den Brief in ein Wachstuch, verschnürte ihn und durchschnitt
das Ende der Schnur mit seinem Dolch. »Zum Beispiel?«
    Â»Zum Beispiel von dem blonden Mädchen, das ums Zelt geschlichen ist.«
    Erstaunt
hob Renard die Brauen. »Warum sollte ich ihr davon erzählen? Sie weiß
sehr gut, daß sich in jedem Soldatenlager Huren herumtreiben und jedem
Mann, dem sie begegnen, ihre Dienste anbieten. Wenn ich das erwähnte,
würde Eleanor glauben, ich hätte mich schuldig gemacht.«
    Â»Und hast du das nicht? Ich sah sie doch hereinkommen.«
    Renard
stützte die Hände auf den Tisch. »Wärst du nicht in deinem Suff
hingefallen, hättest du gesehen, wie ich sie hinausschob.«
    Ein höhnisches Lächeln umspielte Harrys Lippen. »Du mußt mich für einen Idioten halten.«
    Â»Großer
Gott, Harry, verschwinde doch einfach!« Renard stieß einen müden,
abgrundtiefen Seufzer aus, als spräche er mit einem aufsässigen Kind.
»Nimm die Karaffe mit, wenn du willst. Wahrscheinlich ist ohnehin nur
mehr ein kleiner Rest darin, da du den Wein ja schon seit Stunden in
dich hineinschüttest.«
    Mühsam kam sein Bruder auf die
Beine und verlor sofort das Gleichgewicht, nicht nur wegen seiner
Trunkenheit, sondern auch wegen des fast steifen rechten Arms. Beinahe
wäre er gestürzt, aber er hielt sich gerade noch rechtzeitig am Tisch
fest. Dabei stieß er die Karaffe zu Boden. Renard hatte recht. Sie
enthielt wirklich nur mehr einen winzigen Rest, der nun zwischen den
Scherben versickerte. Brennend stieg das Blut in Harrys Wangen. Wann
immer er in Verlegenheit geriet, war er noch ungeschickter als sonst,
und das brachte ihn in Wut. »Vielleicht bin ich ein Idiot!« schluchzte
er. »Aber es ist nicht nötig, mich ständig drauf hinzuweisen!«
    Tiefe
Stille erfüllte das Zelt, nachdem er hinausgetorkelt war. Renard
bedachte die Zeltwand mit mehreren derben Flüchen und starrte blicklos
auf den schwarzen Schimmel, der am Segeltuch wucherte. Es ging nicht
nur um die blonde Hure, sondern um alles, was er besaߠ– und Harry
nicht.
    Er fluchte wieder. Im selben Moment betrat der
Bote in Owains Schlepptau das Zelt, schreckte zurück und blinzelte.
Dann blickte er auf die Schaffellmütze in seinen Händen hinab. Es
gehörte nicht zu Graf Renards Gewohnheiten, seine Untergebenen mit
solchen Ausdrücken zu bedenken und alle seine Vorfahren zu beschimpfen.
Aber die Mühsal der

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