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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chadwick Elizabeth
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Belagerung und das miserable Wetter konnten auch
einen normalerweise beherrschten Mann um seine Selbstkontrolle bringen.
    Renard
kniff sich in die Nasenwurzel. »War nicht persönlich gemeint â€“
Martyn.« Es dauerte eine Weile, bis ihm der Name des Boten wieder
einfiel. Ein gutes Erinnerungsvermögen und ein lange erprobtes Geschick
im Umgang mit seinen Leuten halfen ihm dabei. Lächelnd griff er nach
dem säuberlich verschnürten Päckchen. »Bring das zur Gräfin, wo immer
sie auch sein mag. Am besten versuchst du es zuerst in Ledworth.«
    Martyn
nahm den Brief entgegen und entdeckte zwei Tropfen auf dem Wachstuch.
Mit einer schwieligen Fingerspitze wischte er sie weg und sah, daß es
kein Regenwasser war, wie er zunächst geglaubt hatte, sondern Wein.
Dann bemerkte er die Flaschenscherben am Boden und bückte sich, um sie
aufzuheben.
    Â»Du sollst nicht morgen aufbrechen, sondern
jetzt!« herrschte Renard ihn an. »Nimm den braunen Wallach! Er ist
nicht besonders schnell, aber er besitzt die nötige Durchhaltekraft für
dieses Wetter.«
    Martyn neigte den Kopf, stülpte sich
die Mütze über die Ohren und eilte in den silbrigen Schneeregen hinaus.
Schweigend sammelte Owain die Scherben zusammen und warf sie in den
leeren Nachttopf, um sie später zur Abfallgrube zu tragen. »Soll ich
Euch eine neue Karaffe bringen, Mylord?«
    Renard
schüttelte den Kopf, zog noch ein Pergament zu sich heran und bedeutete
dem Jungen, er wolle allein gelassen werden. Auch dieses Pergament war
mit Wein beträufelt, in der Farbe von Blut mit Regen verwässert.
Ungeduldig schob er seine trüben Gedanken beiseite und begann, einen
Federkiel zu spitzen.
    Wenig später stürmte Owain ins
Zelt zurück. Guy d'Alberin folgte ihm auf den Fersen, und beide
Edelknaben zitterten wie junges aufgescheuchtes Wild.
    Â»Lord
Renard, kommt schnell!« schrie Owain. »Die Späher haben das
Rebellenheer gesichtet! Sie nähern sich dem Fluß, viele tausend Mann!«
    Renard
ließ den Federkiel fallen. Er sprang von seinem Stuhl auf, verließ die
schwache Wärme der Kohlenpfanne und lief hinaus. Die kalten Nadeln des
Schneeregens stachen ihm ins Gesicht, als er durch den Schlamm stapfte.
Überall kamen die Männer aus ihren Zelten und von den Wachfeuern, um
das heranrückende Heer zu beobachten. Die Gesichter spiegelten
verschiedene Gefühle wider â€“ von gelangweiltem Zynismus, der
ausdrückte, das habe man alles schon einmal gesehen, über schlichte
Neugier bis zur Aufregung und kalter Angst.
    Owains
›viele tausend Mann‹ entpuppten sich als Vorhut, die aus knapp dreißig
Rittern auf Pferden mit etwa doppelt so vielen Fußsoldaten bestand.
Alle versammelten sich am anderen Ufer des angeschwollenen Withams und
suchten nach einer geeigneten Furt. Renard kniff die Augen zusammen, um
die kleinen Gestalten da unten genauer beobachten zu können, die sich
emsig wie Blattläuse tummelten, wenn sie einen Obstbaum
kolonialisierten. Zelte wurden aufgeschlagen, weitere Männer ritten in
der Dunkelheit des Spätnachmittags heran.
    Â»Brennt das Feuer in Eurem Bauch heiß genug für eine Schlacht, Renard?« fragte Ingelram von Say, ein anderer Kronvasall.
    Â»Welches Feuer?« Renard wickelte sich enger in das dicke Wolfsfell seines Umhangs. »Zu wem gehört die Bande da unten?«
    Â»Zu
Robert von Gloucester, wenn man den Gerüchten glauben darf.« Ingelram
wischte sich einen Regentropfen von der schmalen Hakennase und
schnüffelte laut. »Gerade hat Alan von Richmond eine Einheit
hinuntergeschickt. Sie soll die Furt bewachen. Hoffentlich hat er
tüchtige Männer ausgewählt, sonst kommt dieser Haufen schneller zu
unserer Flußseite herüber, als eine Hure ihre Röcke heben kann.« Er
wandte den Kopf zur Kirche. »Kommt Ihr mit zum Kriegsrat des Königs?
Wollt Ihr unserem geliebten Herrscher Eure Meinung kundtun?«
    Â»In ein paar Minuten.« Renard schenkte dem nörglerischen Ingelram ein dünnes Lächeln.
    Der
Mann zuckte die Achseln und verschwand. Als Renard durch den Regen
starrte, sah er eine Gestalt auf einem grobknochigen, scheckigen Pferd
am anderen Ufer entlangreiten. Der behelmte graugekleidete Soldat sah
nicht anders aus als seine Kameraden, aber der Schecke war nur allzu
vertraut.
    Ãœber Nacht ging der Schneeregen in
einen weißen Flockenwirbel über, der das andere

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