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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chadwick Elizabeth
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Flußufer wie ein
dichter Vorhang verbarg. In der frostigen Morgendämmerung wehten
Atemwolken in die Luft, Füße stampften im Schnee, um den Blutkreislauf
einigermaßen in Gang zu halten. Stephens Kronvasallen versammelten sich
in der Kirche â€“ zunächst, um einen Gottesdienst zu zelebrieren. Es
war der 2. Februar, der Tag von Maria Reinigung. Danach fand wieder
einmal ein Kriegsrat statt, bei dem die weitere Strategie geplant
wurde. Inzwischen stand es eindeutig fest, daß sich ein großes
Rebellenheer am anderen Ufer des Withams versammelte und eine Furt
suchte.
    Die Kerzen in den Händen waren kalt wie
Stalagmiten, das minderwertige Wachs glich schuppiger Schorfhaut.
Stephen hielt eine Kerze, deren Flämmchen im bläulichen Licht der
Unreinheit bebte, als er Bischof Alexander durch das Kirchenschiff
folgte. Im eisigen Dunkel leuchteten der rotgoldene Ornat, die Juwelen
und Kettenhemden abwechselnd auf, während sich die Prozession langsam
voranbewegte. Atemwolken schwebten himmelwärts, Weihrauch versüßte die
Luft, milderte die irdischeren Gerüche vom Wein des vergangenen Abends
und dem Pökelfisch, mit Knoblauch gewürzt.
    Mit
klappernden Zähnen sprach Renard die vertrauten Gebete. In seinen halb
erfrorenen Fingern schwankte die Kerze, die Flamme flackerte wie in
wilder Panik. Irgendwie gelang es ihm, sie festzuhalten. Das hohe
düstere Gewölbe rührte keine Saite in seiner Seele an. Die Sorge um die
gegenwärtige Situation bedrückte Bischof Alexander von Lincoln zu sehr,
als daß er Begeisterung in anderen gleichfalls Bekümmerten hätte wecken
können, die an Frostbeulen und Glaubenszweifeln in verschiedenen
Ausmaßen litten.
    Der Weihrauch kitzelte in Renards
Nase, und er unterdrückte ein Niesen, um die Gebete nicht zu stören und
die schwache Kerzenflamme zu retten. Im Verlauf der Messe gestatteten
ihm die Worte, die er mechanisch hersagen konnte, seine Gedanken
wandern zu lassen. Nun wurden die Belagerer selbst belagert. In ihrem
angeschlagenen, aber immer noch standfesten Schloß mußte Matille den
Gottesdienst leichteren Herzens feiern. Ihr Mann, was immer er sonst
auch sein mochte, war ein guter Soldat und Stratege, wenn er nicht
durch übertriebene Ambitionen den Überblick verlor. Was diesmal
zunächst wie Größenwahn gewirkt hatte, erwies sich nun als kühnes
Wagnis, das sich womöglich lohnen würde.
    Verstohlen
musterte Renard die anderen Kronvasallen. Alan von Richmond fing seinen
Blick auf, lächelte unbehaglich und zuckte die Achseln. Mit
versteinerter Miene starrte William von Aumale, der Graf von York, zum
Altar. Reglos, wie ein Eisenstab, steckte die Kerze in seiner Faust.
Ohne sich genauer umzusehen, wußte Renard, daß Harry sich nicht unter
den rangniedrigeren Vasallen in der Kirche befand. Ihm war die Aufgabe
zugeteilt worden, mit seinen Männern und einer Einheit von Richards
Rittern die Furt zu bewachen.
    Ehe Harry zum Fluß
hinuntergegangen war, hatte Renard mit ihm sprechen wollen. Müde nach
dem Zechgelage, immer noch von verletztem Stolz erfüllt, hatte Harry
den Versöhnungsversuch unfreundlich und mit unverständlichem Gemurmel
akzeptiert und ruckartig seinen Schwertgurt zurechtgeschoben. Es war
nicht der rechte Augenblick gewesen, das hatte Renard nur zu gut
erkannt. Aber da eine Schlacht unmittelbar bevorstand, mochte
vielleicht überhaupt keiner mehr kommen, weder ein richtiger noch ein
falscher. Letzten Endes hatte er Harry umarmt und war grob
zurückgestoßen worden. Etwas anderes hatte er nicht erwartet, aber es
tat trotzdem weh.
    Die Kerze des Königs flackerte in
einem Luftzug, der durch eine offene Tür hereinwehte. Stephen hielt sie
schief, um der Flamme neue Kraft zu geben. Dabei tropfte glühend heißes
Wachs in seine Hand. Instinktiv, mit einem halb erstickten Fluch, ließ
er die Kerze fallen. Auf dem Steinboden flammte sie noch einmal auf und
erlosch. Er saugte an seinen verbrannten Fingern. Einer seiner
Lehnsmänner bückte sich, um den Gegenstand aufzuheben, der das
königliche Mißfallen erregt hatte. Er wollte die Kerze mit seiner
eigenen Flamme wieder anzünden, doch das war unmöglich, denn sie war in
drei Teile zerbrochen.
    Die Männer wechselten
vielsagende Blicke, und die Abergläubischen sahen in dem Zwischenfall
ein böses Omen. Richmond, der nicht dazu gehörte, trat einen Schritt
vor, reichte Stephen seine

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