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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chadwick Elizabeth
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für wenige Sekunden starrte er in unglaublich
leuchtende blaue Augen, ehe sie sich abwandte. Sie teilte Graf Ranulf
nicht mit, daß der Gefangene das Bewußtsein wiedererlangt hatte, aber
das war auch gar nicht nötig. Der Blickkontakt war zuviel für Harrys
Magen gewesen. Er richtete sich auf und erbrach.
    Â»Seid
willkommen, mein teurer Gast.« Ranulfs sarkastischer Gruß klang wie ein
wölfisches Knurren. »Wenn wir die Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht
haben, könnt Ihr mir vielleicht einiges erzählen. Wollt Ihr etwas
trinken?« Er hob eine Karaffe.
    Harry wischte seinen
Mund ab und setzte sich vorsichtig auf. Dann schlug er die Hände vors
Gesicht und murmelte undeutlich zwischen den Fingern hindurch: »Nein.«
    Aufmerksam
musterte ihn Ranulf. Diesen Mann kannte er von irgendwoher, aber
vorerst versagte seine Erinnerung. »Wie Ihr wünscht.« Er zuckte die
breiten Schultern. »Inzwischen haben wir die Furt genommen. Auf unserer
Seite sind keine Verluste zu beklagen, aber der Fluß hat alle Eure
Leute davongeschwemmt, wie Zweige bei Hochwasser. Das Schloß werden wir
ebenso mühelos erobern.« Er wickelte sich eine Strähne seines
Schnurrbarts um den Zeigefinger. »Wißt Ihr, wer ich bin?«
    Â»Der Teufel«, krächzte Harry, ohne die Hände vom Gesicht zu nehmen.
    Ranulf
lachte belustigt. »Das bin ich wohl für alle, die nicht auf meiner
Seite stehen. Und Ihr solltet mich gnädig stimmen, falls Ihr nach der
Zahlung des Lösegelds im Ganzen und nicht zerstückelt zurückkehren
wollt.«
    Â»Lieber sterbe ich, als gegen Lösegeld freizukommen«, erwiderte Harry tonlos.
    Â»Auch
das läßt sich machen. Und es liegt an Euch zu entscheiden, ob sich vor
Eurem Ableben unangenehme Zwischenfälle ereignen sollen. Ich muß
einiges wissen, was die Pläne der Kommandanten, die Anzahl der Soldaten
und ihre Moral betrifft â€“ und so weiter.«
    Harry
hob den Kopf. »Ich weiß nichts, und das ist die reine Wahrheit.
Meistens war ich zu betrunken, um mich an meinen eigenen Namen zu
erinnern.« Er schaute zum anderen Ende des Zelts, wo die Frau ein Baby
von einer Decke hochgehoben und an die Schulter gedrückt hatte. Mit
dunkelblauen Augen starrte es ihn an und saugte an seiner kleinen Faust.
    Â»Und der wäre?« Ranulf beobachtete ihn mit Habichtsaugen.
    Trotz
seiner Verwirrung und der pochenden Kopfschmerzen wußte Harry, in
welcher Gefahr er schweben würde, wenn er sich als Mitglied des Hauses
Ravenstow zu erkennen gab. »Henry de Rouen«, antwortete er und nannte
den Namen der Stadt in der Normandie, aus der seine Familie stammte.
    Der
sagte Ranulf nichts. Er zupfte an seinem Schnurrbart und fragte sich,
ob er seine Zeit verschwendete. Offenbar war dieser Mann nur ein
winziges Rädchen, das mithalf, den Mühlstein zu drehen, und der
Überblick schien ihm zu fehlen. »Ihr wart also meistens betrunken.
Erzählt mir wenigstens das, was Ihr wißt.«
    Harry
schluckte. In seinem Gehirn fand er nur schwarze Leere, kein Wissen,
auch keine Lügen, die sein Unwissen ersetzen könnten. Er wünschte, er
hätte auf Renard gehört, statt sich die Ohren mit den Pfropfen der
Bitterkeit zu verstopfen. Das Baby begann zu brüllen und mit den
Fäustchen auf den Hals der Frau zu schlagen. Sein blondes Haar hatte
einen ungewöhnlichen Rotschimmer, dunkel wie Buchenblätter. »Ich habe
keine Ahnung«, gestand er, »und ich kann nicht denken.«
    Ungeduldig fluchte Ranulf und trat ihn in die Rippen. »Vielleicht hilft Euch das!«
    Der
Gefangene krümmte sich zusammen. Zumindest hatte er gelernt, Schmerzen
auszuhalten. »Ich weiß nichts«, beteuerte er und hörte die Frau seufzen.
    Chester ging zum Zelteingang und rief zwei Wachtposten herein. »Zieht ihn aus!« befahl er.
    Verzweifelt
wehrte sich Harry. Aber seine Knochen schienen aus Blei zu bestehen,
seine Muskeln aus Wolle, und sein Hirn, von einer schweren
Erschütterung befallen, konnte nichts davon koordinieren. Schließlich
erschlaffte er völlig und ließ die Männer gewähren.
    Der
Graf holte einen Waschkrug und goß den Inhalt über Harrys nackten
Körper. »Fällt Euch jetzt was ein?« fragte er und trat ihn wieder.
    Olwen hatte genug gesehen und eilte zum Ausgang.
    Â»Wohin gehst du?« herrschte Ranulf sie an.
    Gleichmütig
hob sie die Schultern. »Ich bringe Jordan zu seiner

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