Die Leopardin
umstimmen.«
Renard spürte eine Last auf
seinen Schultern, schwer wie ein schwarzer Umhang mit Goldborte â
die Verantwortung für eine Grafschaft im Grenzgebiet. »Ravenstow steht
also immer noch auf Stephens Seite.«
»Im Augenblick
schon. Dein Vater sieht lieber Stephen als Kaiserin Mathilda auf dem
englischen Königsthron. Aber sein Gewissen plagt ihn, weil er zu
Lebzeiten ihres Vaters geschworen hat, ihren Anspruch zu unterstützen.«
»Das hat jeder geschworen â unter Zwang. Und wo stehst du?«
Ein
müdes Lächeln umspielte Adams Lippen. »Ich schwanke â so wie dein
Vater. Wäre es zweckmäÃig, würde ich mich hinter Mathilda stellen. Ihr
Sohn mag zwar erst sieben sein, aber er ist der rechtmäÃige
Thronerbe â nicht Stephen. Bedauerlicherweise mangelt es ihr an
den nötigen Fähigkeiten, um die Staatsgeschäfte zu lenken, während er
heranwächst. Und sein Vater hat in der Normandie und Anjou genug zu
tun. Der wird sich Englands Probleme nicht auch noch aufhalsen.
AuÃerdem lebe ich zu nahe bei Stephens Festung Shrewsbury, um Zweifel
an meiner Lehenstreue heraufzubeschwören. Aber nun bin ich erst mal
Kreuzfahrer und niemandem verpflichtet â eine maÃlose
Erleichterung.«
Renard überlegte kurz. »Ich brauche
etwa einen Monat, um meine Reisevorbereitungen zu treffen. Inzwischen
könntest du nach Jerusalem fahren und zurückkehren â oder
beabsichtigst du länger dort zu bleiben?«
»Dafür ist die Zeit zu knapp.«
»Ja«, stimmte Renard zu und ballte die Hände. »Der nächste Winter rückt immer näher.«
D RITTES K APITEL
Sorgfältig,
mit sicherer Hand, zeichnete Olwen eine Kajal-Linie im rechten Unterlid
und zwischen den Wimpern und dann im linken. In einem kleinen polierten
Stahlsplitter prüfte sie die Wirkung ihrer Malkünste. Sie ergriff einen
Tiegel mit roter Paste und einen dünnen Kamelhaarpinsel, um ihre Lippen
zu färben. Als sie ein lautes Schnarchen hörte, hielt sie mitten in der
Bewegung inne, wandte sich zum Diwan und betrachtete erbost ihren Onkel
Gwylim. Ihre Schwester hatte ihm letzte Nacht aus lauter Mitleid Geld
für eine Flasche Fusel gegeben und ihn hier schlafen lassen, diese
alberne Schlampe. Gwener würde nie was Besseres werden als eine ganz
gewöhnliche Soldatenhure. Diese winzige Hütte im schäbigsten Viertel
von Antiochia war ein eindeutiger Beweis für ihre beklagenswerten
Fähigkeiten.
Olwen widmete sich wieder ihren Vorbereitungen.
Ihre
Schwester kam hinter dem Vorhang hervor, der die Hütte in zwei
armselige Räume teilte. Sie trug ein neues Leibchen aus Goldfiligran,
das Olwen als ihr eigenes wiedererkannte. Da Gwener gröÃere Brüste
hatte, drohten die Nähte zu platzen.
Am Vortag hätte
Olwen noch verbissen darum gekämpft. Jetzt, nach einem Einblick in
andere Welten, empfand sie nur Verachtung, warf der Schwester einen
kurzen, eisigen Blick zu und befaÃte sich wieder mit ihrer Toilette.
Gähnend
kratzte Gwener die Fettpolster an ihren Hüften. »Wer ist er denn?« Sie
nahm den Dolch von Olwens Lager und begutachtete ihn â eine
Männerwaffe, scharf geschliffen, der Griff mit Seide bezogen.
»Das geht dich nichts an.«
Gwener
warf das verfilzte Haar in den Nacken. »Gestern abend war er nicht da,
was? Nie zuvor habe ich dich in so schlechter Laune heimkommen sehen.«
»Ist
das ein Wunder? Du wälzt dich mit einem deiner schmierigen Kunden am
Boden herum, und dieser alte Trunkenbold liegt quer vor der Tür, in
seiner eigenen Kotze.« Olwen stellte den Tiegel mit der roten Paste so
temperamentvoll auf den Tisch, daà er entzweibrach. »Gestern abend war
er nicht da, weil er Besuch hatte. Ein Verwandter aus England â¦Â«
»Er
ist also Engländer.« Gwener streckte sich wie eine dicke, träge Katze.
Auch sie hatte blaue Augen, aber nicht so groÃe, klare wie Olwen. »Ein
Adeliger?« Mit einer obszönen Geste streichelte sie die Klinge der
Waffe. »Wie ist er denn im Bett?«
Wütend rià Olwen ihr
den Dolch aus der Hand und packte sie an den strähnigen, fettigen
Haaren, um ihr den Kopf nach hinten zu zerren. »Warum willst du das
wissen?« zischte sie und hielt ihrer Schwester die Schneide ans Kinn.
Gwener
setzte sich kreischend zur Wehr. Die Schnarchlaute gingen in ein halb
ersticktes Grunzen über. Verwirrt
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