Die Leopardin
richtete Gwylim sich auf, blinzelte
wie eine Eule, die bei Tag erwacht, und rieb sich die Augen. »Was ist
denn los?«
Durch Gweners wilde Gegenwehr geriet der
Dolch auÃer Kontrolle und ritzte ihre Haut auf. Nur ein winziger
Kratzer entstand, aber eine Menge Blut tropfte heraus und ruinierte das
Leibchen aus Goldfiligran. Schreiend schlug sie um sich, wie ein halb
erwürgtes Huhn. Gwylim erhob sich taumelnd, in der vagen Absicht, die
kämpfenden Mädchen zu trennen, stolperte über den Nachttopf, den man
seit dem vergangenen Abend nicht entleert hatte, und fiel der Länge
nach hin. BeiÃender Gestank erfüllte den Raum.
Eine
neugierige alte Nachbarin steckte den Kopf zur Tür herein, und Gwener
jammerte: »Sie wollte mich umbringen!« Dramatisch zeigte sie auf Olwen.
»Da, siehst du? Sie hält den Dolch immer noch in der Hand! Ich blute! O
Gott, hilft mir denn niemand?«
Olwen warf ihr einen
Lappen zu. »Da, drück das auf die Wunde, du dumme Gans! Hätte ich dir
doch bloà die Kehle durchschnitten!« Die Nachbarin begann lauthals zu
verkünden, wie sie die Situation einschätzte. Andere interessierte
Gesichter erschienen in der Tür, darunter der Esel eines
Wasserverkäufers. Wiehernd stimmte er in das allgemeine Gebrüll ein.
Gwylim setzte sich mühsam auf, seine Kleider rochen nach abgestandenem
Urin.
Olwen schaute sich in der Umgebung um, wo sie
aufgewachsen war. Erst in ärmlichem Anstand, später in jener
Verzweiflung, die einen quälte, wenn man von der Hand in den Mund leben
muÃte. Davon muÃte sie sich befreien, so abrupt, wie eine Nabelschnur
durchtrennt wird. Sie eilte an Gwylim vorbei, der vor dem Dolch
zurückschreckte, ignorierte ihn und holte ihr bestes Seidenkleid aus
der Ecke, wo sich ihre Sachen häuften. AuÃerdem ergriff sie ein gutes
Leinenkleid und den dunklen Wollumhang, den sie abends trug, wenn sie
zum âºKrummsäbelâ¹ ging.
Heulend betupfte Gwener den
Kratzer an ihrem Kinn. Die alte Nachbarin entdeckte einen halben
Brotlaib auf dem Tisch und wickelte ihn hastig in ihren Schal. Olwen
sah es, gab aber keinen Kommentar ab. Das alles kümmerte sie jetzt
nicht mehr. Sie muÃte andere Kämpfe bestehen.
Ohne ein
Abschiedswort, ohne sich noch einmal umzudrehen, verlieà sie die Hütte.
Das Publikum machte ihr Platz wie einer Königin. Und sie wirkte in der
Tat majestätisch, als sie die ersten Schritte unternahm, um den Plan zu
verwirklichen, den sie vor zwei Tagen im Bett eines fremden Mannes
geschmiedet hatte.
Nackt bis zur Taille,
striegelte Renard seinen Hengst Gorvenal. Normalerweise hätte er diese
Aufgabe einem Reitknecht überlassen. Doch die rhythmischen Bewegungen
seiner Hand, die den Striegel über das glänzende schwarze Fell zog, und
der warme Stallgeruch erschienen ihm irgendwie tröstlich.
Seit
Adams Aufbruch nach Jerusalem traf er seine Reisevorbereitungen. Eine
italienische Galeere lag im Hafen von St. Simeon und würde Brindisi
ansteuern, sobald sie instand gesetzt war. Der Kapitän hatte sich
bereit erklärt, Renard, dessen Schwager und die beiden Gefolge
mitzunehmen, vorausgesetzt, sie konnten in fünf Wochen an Bord gehen.
Ein
Kapitel seines Lebens endete ebenso überstürzt, wie es begonnen
hatte â ein Zwischenspiel, fast schon ein verschwommener Traum. Er
legte den Striegel beiseite und wischte sich mit dem Unterarm die Stirn
ab. DrauÃen brütete schläfrige Hitze. Gorvenal schnaubte und stieà ihn
gebieterisch mit den Nüstern an. Lächelnd streichelte Renard das
weiche, weiÃgefleckte Maul und wuÃte nur zu gut, daà das Pferd nach den
geliebten Datteln schnüffelte. »Bald wirst du auf deine Leibspeise
verzichten müssen«, erklärte er wehmütig und warf die bestickte
Satteldecke über den Rücken des Hengstes.
Ancelin kam
in den Stall, um ein Halfter zu suchen, das er zuvor ausgebessert
hatte. »Ihr wollt doch nicht in dieser Hitze ausreiten, Mylord?« fragte
er verwundert.
»Ich muà eine Art Pilgerfahrt unternehmen.«
»So?« Ancelin grinste wissend.
»Nicht diese Art!«
»Euer Hirn wird zerschmelzen und rausflieÃen.« Kopfschüttelnd stapfte der Schildträger aus dem Stall.
Renard
sattelte Gorvenal und nahm seine Tunika von einem Heuballen. Sie
bestand aus dünner weiÃer Seide, befleckt mit Stallmist und SchweiÃ,
diente aber nur als Untergewand einer dunklen
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