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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chadwick Elizabeth
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Kampf
zwischen Stephen und Mathilda größere Macht. Jede der beiden Seiten
will ihn für sich gewinnen und ist bereit, ihm Zugeständnisse zu
machen. Je mehr er bekommt, desto mehr will er haben. Und sein
wachsender Einfluß veranlaßt ihn, die Gesetze immer ungenierter zu
umgehen.«
    Â»Wenn er soviel Macht besitzt, muß er schon
ziemlich alt sein«, meinte Olwen nachdenklich, während sie langsam die
Treppe weiter hinaufstiegen.
    Â»Leider dürfen wir nicht
hoffen, daß er demnächst das Zeitliche segnen wird. Er ist nur knapp
zehn Jahre älter als Renard.« Guyon blieb wieder stehen, um Luft zu
holen. Nach einem kurzen Hustenanfall führte er sie durch eine Galerie
zur Tür von Judiths Nähzimmer.
    Davor wurden sie bereits
von der Gräfin erwartet, deren verkniffene Lippen und gestraffte
Schultern Bände sprachen. »Die ganze Nacht hast du gehustet!« herrschte
sie ihren Mann an. »Und jetzt verläßt du dein gemütliches Plätzchen am
Kamin, um mühsam die Treppe heraufzusteigen. Bist du denn verrückt
geworden?« Sie starrte ihn wütend an, dann warf sie einen kurzen
Seitenblick auf Olwen.
    Â»Wenn das zutrifft, so ist das
mein gutes Recht«, entgegnete er in ruhigem Ton und unterdrückte einen
weiteren Hustenanfall. »Ehe ich das Leben eines Gefangenen führe,
ergebe ich mich lieber dem Wahnsinn.«
    Judith erhob keine Einwände mehr, die ihn nur zu noch schlimmeren Dummheiten provoziert hätten.
    Er zeigte auf Olwens blaues Seidenkleid. »Das Mädchen braucht wärmere Sachen. Wir haben doch noch Wollstoffe?«
    Â»Gewiß.«
Die Gräfin musterte den Hausgast von Kopf bis Fuß und verbarg ihr
Mißfallen nicht. Dann betrat sie das Nähzimmer. Olwen zögerte, aber
Guyon bedeutete ihr, seiner Frau zu folgen.
    Eines der
Fenster lag an der Hofseite, und Olwen ging hin, um auf das geschäftige
Treiben hinabstarren. Hinter sich hörte sie die Stimme des Grafen, der
besänftigend auf seine Gemahlin einsprach, und deren ärgerliches
Gemurmel. Dann wurde der knarrende Deckel einer Truhe geöffnet.
    Als
Olwen den Mut aufbrachte, sich umzudrehen, war der Graf verschwunden,
und die Schloßherrin begutachtete einen braunen Wollstoff, den sie an
mehreren Stellen schüttelte. »Keine Mottenlöcher â€¦ Das müßte für
zwei Untergewänder und ein Überkleid reichen, wenn wir auch noch diesen
blauen Stoff verwenden.« Fast im selben Atemzug fügte sie hinzu: »Es
ist sinnlos, am Fenster zu warten. Renard kommt frühestens zur Vesper
nach Hause. Morgen und übermorgen und an all den künftigen Tagen wird
sich nichts daran ändern.« Eine Schnur und eine Schere in der Hand,
eilte sie zu dem Mädchen, um Maß zu nehmen.
    Stocksteif
stand Olwen da und ließ die alte Frau gewähren. Hin und wieder machte
Judith einen Knoten in die Schnur, um den Abstand zwischen Schulter und
Handgelenk oder Nacken und Rocksaum zu markieren und die einzelnen
Maßeinheiten abzuschneiden. »Wenn Ihr glaubt, Ihr seid der Mittelpunkt
von Renards Leben, irrt Ihr Euch ganz gewaltig«, erklärte sie in
eisigem Ton, als sie ihre Arbeit beendet hatte und zurücktrat. »Dieser
Grund und Boden, auf dem er geboren wurde, bedeutet ihm mehr als alles
andere. Und Euch benutzt er nur, um das Feuer zu löschen, das
gelegentlich in ihm aufflammt. Bald wird seine Ehefrau diese
Bedürfnisse befriedigen.«
    Zuversichtlich warf Olwen den
Kopf in den Nacken. »Ich weiß, daß Renard Pflichten erfüllen muß, die
nichts mit mir zu tun haben. Aber Pflichten bereiten kein Vergnügen,
und das schenke ich ihm in höherem Maße, als seine Braut es jemals
vermag. Wenn ich es so will, wird sie mir nie das Wasser reichen
können.«
    Â»Wenn Ihr es so wollt!«
    Olwen
lächelte verächtlich, fast mitleidig. Abrupt wandte sich Judith zur
Truhe, in der die Stoffballen lagen. Roter Nebel flimmerte vor ihren
Augen, und die Versuchung, sich mit der Nähschere auf das Mädchen zu
stürzen, überwältigte sie beinahe. Die Hände auf den Holzdeckel
gepreßt, rang sie vergeblich nach Fassung. Keine Sekunde länger konnte
sie im selben Raum bleiben wie diese Person. Sie schluckte, und als sie
hinausstürmte, war ihr beinahe übel.
    Eine Zeitlang
stand Olwen reglos da, dann kehrte sie zum Fenster zurück, stützte sich
auf das Sims und blickte zu jenem Land in der Ferne, das

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