Die Leopardin
umher.
»Was
werdet Ihr nach dem heutigen Abend tun?« fragte Aaliz neugierig, legte
die Laute beiseite und begann ihr glänzendes schwarzes Haar zu kämmen.
»Werdet Ihr bei uns bleiben?«
»Je nachdem.« Olwens
Antwort war fast unverständlich, weil sie gerade sorgfältig ihre
geöffneten, straff gespannten Lippen bemalte. »Ich hoffe, am Hof einen
Gönner zu finden.«
Nicht zum erstenmal bestaunte Aaliz
die Verwandlung, die kunstvoll aufgetragene Schminke bewirken konnte.
Olwens blonde Schönheit hatte schwüle, exotische Züge angenommen, und
sie glich einer leuchtenden Nachtblume, deren berauschender Duft
unzählige Motten anlockte.
»Tatsächlich?« Aaliz lachte.
»Dann will ich Euch einen Rat geben. König Stephen liebt seine Königin,
und sie wird es keiner Tänzerin gestatten, nach der Krone zu greifen.«
»Das weià ich«, entgegnete Olwen kühl. »Auf den König habe ich's ja gar nicht abgesehen.«
»Auf wen denn sonst?«
Olwen zuckte nur die Schultern, um der Frau zu bedeuten, das gehe sie nichts an, und widmete sich wieder ihrer Toilette.
Die
Lippen zusammengepreÃt, wandte Aaliz sich ab. Freundliche
Annäherungsversuche wurden ignoriert oder zurückgewiesen. Gelegentlich
gab sich Olwen liebenswürdig, je nach Lust und Laune. Obwohl sich
Olwens Mitgliedschaft bei der Truppe bereits in klingender Münze
ausgezahlt hatte â sollte sie sich demnächst verabschieden, würde
ihr die Frau des Leiters keine Träne nachweinen.
Olwen
strich mit einem winzigen, ruÃgeschwärzten Bürstchen über ihre Wimpern.
Triumphierend stellte sie sich vor, wie sie abends vor dem König und
seinen Rittern tanzen und allen den Kopf verdrehen würde. Die
aussichtsreichsten Bewerber um ihre Gunst â die Grafen Chester,
Huntingdon und Leicester â waren gewià keine besseren Liebhaber
als Renard, aber ihre Macht würde als Aphrodisiakum von anderer Art
dienen. Bei Renard hatte sie stets aufpassen müssen, um sich nicht zu
verräterischen Liebesbeweisen hinreiÃen zu lassen.
Wenn
sie an ihn dachte, war ihre Kehle manchmal wie zugeschnürt. Aber sie
schluckte ihre Tränen immer wieder rasch hinunter. Auch er würde an
diesem Abend zu Stephens Gästen zählen â ohne zu ahnen, daà sie
nicht mehr auf Hawkfield war. Wie würde er das aufnehmen? Bei diesem
Gedanken rann ihr ein wohliger Schauer über den Rücken und steigerte
die freudige Erregung, das Triumphgefühl.
Eleanor
leckte ihren Zeigefinger und den Daumen ab. Konzentriert runzelte sie
die Stirn, als sie den hauchdünnen Draht ihres Ohrgehänges aus Gold und
Granaten durch das Loch in ihrem Ohrläppchen zu schieben versuchte.
Hinter ihr lag Renard auf dem Bett, lässig ausgestreckt, bereits für
den Hof gekleidet. Er trug die mit Füchsen bestickte Tunika und
betrachtete geistesabwesend den neuen Falknerhandschuh, den er gekauft
hatte. »Kusine Matille«, sagte er leise, um auf den Besuch einzugehen,
den seine Frau erwähnt hatte. »In unserer Kindheit hielten uns die
Leute für Geschwister. Ich glaube, seit Herleves Taufe haben wir uns
nicht mehr gesehen, und das war vor meiner Abreise nach Antiochia.«
»Jetzt hat sie noch ein Kind â Lucy, nach Ranulfs Mutter benannt.«
Er drehte den Handschuh hin und her. »War es ein gesellschaftlicher Besuch, oder verfolgte sie einen bestimmten Zweck?«
Den zweiten Ohrring zwischen den Fingern, drehte sich Eleanor zu ihrem Mann um. »Wieso weiÃt du das?«
Er
lächelte grimmig. »Matille ist recht nett, aber vor allem mit ihrem
eigenen Leben beschäftigt. Um andere kümmert sie sich nur, wenn es
ihren Interessen dient.«
»Ich glaube, sie versuchte,
sich für Chesters Benehmen zu entschuldigen. Und ich soll dich daran
hindern, ihn weiterhin herauszufordern. Sie sagt, der Streit zwischen
euch sei nicht nur seine Schuld.«
Verächtlich warf er
den Handschuh beiseite. »Das klingt wie die Geschichte von dem
Bärenhüter. Als der Bär ein Kind gebissen hatte, erklärte der Mann, es
hätte eben nicht den Arm ins Maul der Bestie stecken dürfen.«
Eleanor
befestigte den zweiten Ohrring und ging zum Bett, um nach ihrem
pelzbesetzten Umhang zu greifen. »Ich wiederhole nur, was sie gesagt
hat. Jedenfalls möchte sie, daà ich dich veranlasse, Chester etwas
toleranter zu begegnen. Du meinst, sie sei
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